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In Schutt und Asche

Über 200 Tote und 11.000 Vertriebene – jetzt will die Regierung gegen „unverantwortlichen Journalismus“ vorgehen

von DOMINIC JOHNSON

Die Bilanz ist verheerend: Um die 215 Tote und 121.000 Vertriebene forderten nach Angaben des nigerianischen Roten Kreuzes die Kämpfe zwischen islamischen und christlichen Milizen im nordnigerianischen Kaduna, die zur Absage des Miss-World-Wettbewerbs geführt haben. Soldaten patrouillierten gestern in der Vier-Millionen-Stadt, während Gouverneur Ahmed Makarfi Plünderern und Brandstiftern mit standrechtlicher Erschießung drohte.

Die Zahl von 215 Toten dürfte untertrieben sein. Nach Angaben von Emmanuel Ijewere, Präsident des nigerianischen Roten Kreuzes, sind neben den auf Straßen und in Kliniken gezählten Leichen zahlreiche Gewaltopfer von ihren Familienangehörigen bereits begraben worden – im Islam ist es üblich, Tote innerhalb von 24 Stunden zu bestatten.

Die meisten Toten sind Zivilisten, da die Strategie der Milizen beider Seiten darin bestand, in von der jeweils anderen Religion beherrschte Stadtviertel einzudringen und in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Verwüstung anzurichten. Manche Opfer wurden mit Messern erstochen, andere bei lebendigem Leibe verbrannt – mit angezündeten Autoreifen um den Hals.

Nach Angaben von Shehu Sani, Vorsitzender der Bürgerrechtsgruppe „Civil Rights Congress“ in Kaduna, wurden insgesamt 15 Kirchen und 8 Moscheen in Schutt und Asche gelegt. Brandstiftung ist auch der Grund, warum 11.000 Menschen jetzt obdachlos und vertrieben sind. Sani meinte, die Gründe für die Gewalt seien nicht primär religiös. „Eine Gruppe von Hooligans und arbeitslosen Jugendlichen haben diese Situation ausgenutzt, um Terror zu verbreiten“, sagte er. „Es gibt Armut und Hunger hier. Jeder kleinste Ärger entzündet schnell ein Feuer, und Religion ist eine sehr sensible Sache.“

Die Unruhen hatten am Mittwoch begonnen, als organisierte muslimische Milizen das lokale Büro der Tageszeitung This Day anzündeten – eine Kolumnistin der Zeitung hatte am vorherigen Samstag geschrieben, der Prophet Mohammed hätte sich vermutlich Teilnehmerinnen des Miss-World-Wettbewerbs zur Frau genommen. Viele Muslime lehnen die bis zum Wochenende für den 7. Dezember geplante Ausrichtung des Miss-World-Wettbewerbs in Nigeria als Provokation und Gotteslästerung ab.

Nach dem Abfackeln des Zeitungshauses drangen die Milizen in christliche Viertel Kadunas ein. Ab Freitag holten die Christen zum Gegenschlag aus, während sich die Gewalt auf andere Städte ausweitete. Am Samstag verlegten die Organisatoren des Miss-World-Wettbewerbs die Veranstaltung nach London und flogen die Teilnehmerinnen aus. Nun fürchten Beobachter weitere Gewalt. „Manche Christen sind erbittert darüber, dass sie eine symbolische Schlacht verloren und die Muslime gewonnen haben“, sagte Rotkreuz-Chef Ijewere.

Die Regierung von Präsident Olusegun Obasanjo greift jetzt durch – allerdings nicht gegen die Gewalttäter. Stattdessen verhaftete der Geheimdienst den Chefredakteur der Samstagsausgabe von This Day, Simon Kolawole. Zuvor hatte Staatschef Obasanjo, ein gläubiger Baptist, gesagt, man werde die Verantwortlichen für „unverantwortlichen Journalismus“ zur Rechenschaft ziehen.

Dies weckt nun Befürchtungen vor einem Feldzug gegen die Pressefreiheit. Tunde Asaju, ein in London lebender nigerianischer Journalist, wies gestern darauf hin, dass This Day vor kurzem Obasanjos Nichterfüllung seiner Wahlversprechen scharf gegeißelt habe. „Die Regierung hat versprochen, gegen den ‚neuen Trend eines unverantwortlichen Journalismus‘ vorzugehen. Sie will also kritische Meinungen zügeln“, schrieb er in der britischen Sonntagszeitung Observer. „Nigeria ist wieder einmal in Brand gesteckt worden, und wir werden vom Rauch erstickt.“

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