: Die Gier, das Geld und die Gebühren
Die Banken nehmen die Bürger aus, glaubt Christiane Oppermann. Ihr „Schwarzbuch“ zeichnet sich vor allem durch Schwarzweißdenken aus
Der Spiegel rief kürzlich eine Bankenkrise aus. Und prompt meldete die Deutsche Bank ihren ersten Quartalsverlust seit Menschengedenken an. Die Großbanken vernichten hierzulande über 20.000 Arbeitsplätze, und selbst die Bundesbank will massenhaft Jobs streichen.
Von solcher Untergangsstimmung will Christiane Oppermann nichts wissen – und skizziert in Ihrem „Schwarzbuch Banken“ lieber ein ganz anderes Szenario: Einst haben uns die Banken „den Weg in die Abhängigkeit“ gewiesen, als sie in den Sechzigerjahren den bargeldlosen Zahlungsverkehr, bis dahin ein Privileg der Wohlhabenden, für jedermann einführten. Kostenlos. Kaum war jedoch die klassische Lohntüte auf dem Müll der Wirtschaftsgeschichte gelandet, fingen die Geldgiganten an, teure Gebühren für ihre Girokonten zu kassieren. Seither drehen sie an der Gebührenschraube. Das missfällt Christiane Oppermann ebenso wie die Gebühren und Provisionen für den Kauf von Aktien und Investmentfonds oder für eine Finanzberatung. Heftige Rügen erhalten die Banken auch, wenn sie ihr Geld anderwärtig verdienen wollen, also durch Zinsgeschäfte. Für die frühere Leiterin des Wirtschaftsressorts der Woche sind Banken entweder „Abzocker“ (Gebühren) oder „Kredithaie“ (Zinsen).
Ihrem Schwarzweißmuster bleibt Frau Oppermann 318 Seiten lang treu. Alles, was Kreditinstitute tun, ist schlecht, alles, was Kritiker sagen, richtig. Dabei ignoriert sie bisweilen die reale Finanzwelt: So bieten längst viele Banken und Sparkassen kostenlose Girokonten an. Und nicht ohne Grund steckt die Wirtschaft in einer Kreditklemme. Viele „Kredithaie“ weigern sich nämlich, neue Darlehen zu vergeben, da ihnen das Risiko zu hoch und die Zinsspanne zu niedrig ist. Nicht das Abkassieren der Kunden ist oftmals das Problem, sondern das ängstliche Ausbremsen der Konjunktur durch die Kreditwirtschaft.
Nur: Wenn Oppermann heute schon den Teufel an die Wand malt, werden ihr morgen die Fieslinge ausgehen. Dass es aus Verbrauchersicht um den Finanzplatz Deutschland nicht gar so katastrophal bestellt ist, zeigt dagegen ein Blick nach Großbritannien. Dort hat sich eine Hand voll Banken den Markt landesweit aufgeteilt und nutzt ihr Oligopol aus, um durch ungleich höhere Gebühren und Zinssätze als in Deutschland satte Extraprofite einzukassieren. In der Bundesrepublik wird dieser überreiche Geldsegen von einem noch relativ scharfen Wettbewerb verhindert. Den öffentlich-rechtlichen Sparkassen und genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken sei Dank dafür, wenngleich auch sie keine Heiligen sind.
Lustig, dass Christiane Oppermann die bösen Abzocker gleichzeitig in einer Bankenkrise wähnt. Das ist zwar populär – siehe Spiegel –, stimmt aber nicht. Die Bankvorstände jammern in Wahrheit auf hohem Niveau: So waren die Neunzigerjahre goldene Zeiten für die Geldgiganten, die Geschäfte boomten, und die Aktienkurse stiegen in nur zwölf Monaten um satte 47 Prozent. Nicht allein die Bilanzsumme der Deutschen Bank raste rasant nach oben. Es ist also viel Substanz vorhanden, und die deutsche Geldbranche ist alles in allem gut aufgestellt.
Die aktuellen Schwierigkeiten resultieren vor allem aus Managementfehlern und aus der blinden Hinwendung zum Investmentbanking. „Aktien statt Kredit“ hieß es seit Mitte der Neunziger auch am Main. Der Zusammenbruch der Spekulationsblase an den Weltbörsen ließ die Bankträume platzen, zurück blieben Investitionsruinen und leere Handelssäle.
Trotzdem rechnen weiterhin die meisten Kreditinstitute und auch die Deutsche Bank für das Jahr 2002 mit Gewinnen. Das Krisengerede kam manchem Bankvorstand durchaus gelegen, dient es doch als Argument, weiterhin die Kosten zu senken. Obendrein werden seit drei Jahren an jedem Bankarbeitstag 10 – in Worten: zehn – Zweigstellen geschlossen, nicht weil diese Verluste machen, sondern weil sie, gemessen am Konzernziel, zu wenig Gewinn abwerfen. Ziel der Bankvorstände ist eine „Fabrikisierung“, mit einer (geringen) Fertigungstiefe wie in der Automobilindustrie: Die Bank soll sich ganz auf den Vertrieb konzentrieren. Alles dahinter und drum herum wird von externen Dienstleistern bearbeitet. Zu der künftigen Bankfabrik gehören auch möglichst große Stückzahlen, und daraus erwächst die eigentliche Gefahr für den Finanzplatz: Die Großen könnten die Kleinen schlucken, und uns drohen britische Verhältnisse.
Das Schwarzbuch glänzt selten durch Analyse, aber richtig gut ist es, wenn es Fälle beschreibt. Schöne, längst vergessene Geschichten tauchen wieder auf, die geschenkte Übernahme der DDR-Banken, der teure Fall des Baulöwen Schneider, der glücklicherweise geplatzte Jugendwahn des Neuen Marktes oder die Immobilienskandale der Berliner Bankgesellschaft.
Verständnis hat Oppermann dafür selbstverständlich nicht. Jede Schlechtigkeit der Welt und jede Unpässlichkeit der Unterdrückten schiebt sie per Allmachtsfantasie „den Bankern“ in die Designerschuhe – von der Berliner Bankenkrise und der Asienkrise über die Terrorfinanzierung bis zum finanziellen Untergang Argentiniens. Und warum das alles? Weil „die Gier herrscht“, und wo die Gier herrscht, „stirbt die Moral zuerst“. Diese moralinsaure Interpretation von Ökonomie verstellt der Autorin manchmal den Blick auf die wahren Probleme.
HERMANNUS PFEIFER
Christiane Oppermann: „Schwarzbuch Banken“, 318 Seiten, Hugendubel Verlag, Kreuzlingen/München 2002, 22 €
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