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Das verkehrte Müllkonzept

Ein Ausbau der Müllverbrennungsanlage ist im Senat offenbar kein Selbstläufer. Heute soll es im Parlamentsausschuss dazu Klartext geben. Eine Entscheidung verschiebt sich aber auf Dezember

von STEFAN ALBERTI

Der mögliche Ausbau der Müllverbrennungsanlage in Ruhleben, zentraler Punkt des neuen Müllkonzepts der Stadtreinigungsbetriebe (BSR), ist für den Senat offenbar nur eine von mehreren Alternativen. Das verlautete aus einer internen Runde der zuständigen Verwaltungen und Abgeordneten von SPD und PDS. Heute im Umweltausschuss sollen Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) und die Wirtschaftsverwaltung Stellung beziehen. Aus der SPD-Fraktion ist jedoch zu hören, dass sich eine engültige Senatsentscheidung in den Dezember verschiebt: Erst wollen sich die Sozialdemokraten intern einigen.

In den betroffenen Senatsverwaltungen hielt man sich gestern bedeckt. Strieder mochte sich vor der heutigen Ausschusssitzung nicht äußern. Der Sprecher von Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) kündigte zwar eine Stellungnahme zur Zukunft des Berliner Mülls an, schränkte aber gleich ein: „Dass muss nicht zwingend eine Antwort auf die Frage sein, wo verbrannt wird.“

Die landeseigene BSR hatte vor vier Wochen im Ausschuss vorgestellt, wie sie zukünftig mit dem Restmüll umgehen wollen. Die eine Hälfte davon wird zurzeit verbrennt, die andere landet auf der Deponie. Das aber ist nach einer Deponieverordnung des Bundes ab 2005 nicht mehr möglich. Der BSR schwebt daher vor, Ruhleben auszubauen und dort etwa ab 2010 nicht mehr die Hälfte, sondern drei Viertel des Mülls zu verbrennen.

Nicht nur Anwohner, der Bund für Umwelt und Naturschutz und ein Zusammenschluss Berliner Bürgerinitiativen gegen Müllverbrennung sprechen sich dagegen aus. Auch Bezirksverordnetenversammlungen und die umweltpolitischen Sprecher der Abgeordnetenhausfraktionen lehnen einen Ausbau ab. Ein zentrales Argument: Eine größere Anlage werde zu einem Müllmagnet, senke den Anreiz, Müll zu vermeiden oder den Restmüll besser zu verwerten. Für die PDS-Abgeordnete Delia Hinz käme ein derartiger Ausbau einem Neubau gleich, den der Koalitionsvertrag mit der SPD ausschließt.

Alle Fraktionen verlangen von der BSR zudem konkretere Zahlen. Das Unternehmen will sein Konzept durchgerechnet und mit anderen Möglichkeiten verglichen haben. Den Abgeordneten reicht das nicht. CDU-Umweltpolitiker Uwe Goetze forderte jüngst einen unabhängigen Gutachter, den Senat und Fraktion einvernehmlich bestimmen.

Zum BSR-Konzept gehört auch der Verzicht auf die Biotonne. Das soll jährlich etwa 20 Millionen Euro sparen, die nach BSR-Planungen den rund 200 Millionen Euro teuren Ausbau von Ruhleben mitfinanzieren würden. In einer Internet-Umfrage der Senatsverwaltung spricht sich bislang eine 60-Prozent-Mehrheit dafür aus, an der getrennten Bioabfallsammlung festzuhalten (www.stadtentwicklung.berlin.de).

Die Grünen-Abgeordnete Felicitas Kubala kündigte für heute einen Antrag an, die Biomüll-Sammlung offen auszuschreiben. Ein Brandenburger Unternehmer hat bereits Interesse angemeldet.

Offen ist weiter die Frage der zukünftigen Gebühren. „40 bis 60 Prozent mehr, wie sie im Raum stehen, machen wir nicht mit“, sagt der zuständige Arbeitskreisleiter der SPD-Fraktion, Jürgen Radebold. Über fünf bis zehn Prozent lasse sich verhandeln.

Parallel zur Debatte um das BSR-Konzept hat die Senatsverwaltung jetzt die Abfallbilanz für 2000 vorgelegt. Aktuelle Zahlen für 2001 liefert die BSR. Demnach hat sich die Restmüllmenge – vorwiegend der Hausmüll aus der grauen Tonne – um knapp ein Zwölftel auf 1,1 Millionen Tonnen verringert. In der Ruhlebener Verbrennung landen davon vorrangig die Abfälle aus dem Berliner Nordwesten, weil die Wege zur Anlage am kürzesten sind.

Was nicht verbrannt wird, geht außer Landes: die Abfälle aus den östlichen Stadtteilen laut BSR auf eine Deponie des Unternehmens im brandenburgischen Schwanebeck, der Müll aus den Südbezirken – nach Pressung in einer Anlage in Neukölln – per Schiene auf die Deponie Schöneicher Plan, rund 40 Kilometer südlich von Berlin.

Auch der Inhalt der bunten Abfallbehälter bleibt nicht in Berlin. Altglas aus der grünen Tonne – im Jahr 2000 107.900 Tonnen, im vergangenen 92.000 – geht der BSR zufolge in eine Altglasverwertungsanlage nach Velten. Ein Fünftel gelangt von dort in die Glasfabrik Neuenhagen östlich von Berlin, der große Rest in die weiter entfernte Glasindustrie. Papier und Pappe aus der blauen Tonne – 210.000 Tonnen im Jahr 2000, 5.000 Tonnen mehr im vergangenen Jahr – wird erst in Mahlsdorf sortiert und geht dann schwerpunktmäßig in eine Altpapierfabrik nach Schwedt an der Oder.

In der gelben Tonne landeten 2000 wie 2001 je rund 93.000 Tonnen. Die Kunststoffe darunter gehen in eine Verwertungsanlage nach Eisenhüttenstadt und werden dort zu Granulat. Bei Metallen, zu Alu und Weißblech sortiert, lässt sich laut BSR kein Schwerpunkt ausmachen.

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