: Scharon geht als Erster durchs Ziel
Allen Attacken seines innerparteilichen Konkurrenten Benjamin Netanjahu zum Trotz setzt sich Israels Premierminister bei den Vorwahlen des Likud durch. Er könnte sich nach den Parlamentswahlen auch eine Koalition mit der Arbeitspartei vorstellen
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Zwar wollte Außenminister Benjamin Netanjahu Umfragen kein Vertrauen schenken und gab sich am Tag der „Primaries“ bei Israels größter Partei noch siegessicher, dennoch stand schon vor der gestrigen Wahl des Likud-Spitzenkandidaten fest, dass Premierminister Ariel Scharon als Erster ins Ziel kommen würde.
Meinungsforscher prophezeiten ihm zwischen 20 und 26 Prozent mehr Stimmen als Netanjahu. „Während meiner Amtszeit als Premier gab es so gut wie keinen Terror“, so Netanjahu diese Woche in der Tageszeitung Jediot Achronot. Sollte er erneut das wichtigste Regierungsamt besetzen, würde er die palästinensischen Gebiete „einnehmen und säubern“. Das „Regime des Terrors von Jassir Arafat muss zerstört werden“, erst dann sei die Errichtung einer Trennlinie möglich, die aber „nicht mit der Grenze von 1967 identisch ist“.
Dem Premierminister wirft Netanjahu Versagen nicht nur bei der Bekämpfung des Terrors vor, sondern auch in der Wirtschaft, wo die „Erwartungen auf Grashöhe sanken“. In seiner Regierungszeit habe die Wirtschaft geboomt, erinnert Netanjahu. Als er im Frühjahr 1996 an die Macht kam, konnte er noch die Früchte der Annäherung zwischen Exregierungschef Jitzhak Rabin und Arafat ernten.
Schwerpunkt des Wahlkampfs ist indes die Sicherheitspolitik. Netanjahu verglich Scharon mit dem Spitzenkandidaten der Arbeitspartei Amram Mizna. Beide verfolgten die Gründung eines Palästinenserstaats. Tatsächlich gehört Scharon zu den ersten israelischen Politikern, die einen palästinensischen Staat als unausweichliches Faktum erkannten. Gegenüber der Tageszeitung Maariw erklärte er diese Woche erneut, dass er „unter bestimmten Bedingungen“ einem solchen Staat zustimmen würde. Dazu gehört, dass die Palästinenser keine Armee haben und die Grenzübergänge unter israelischer Kontrolle bleiben. Nach eigenen Aussagen, besteht in dieser Frage „weit gehende Übereinstimmung mit den USA“.
Der entscheidende Unterschied zwischen Arbeitspartei und Likud besteht in der Frage, ob Friedensverhandlungen beginnen, solange die Gewalt andauert. Mizna verfolgt hier die Strategie Rabins, der dafür plädierte, „Verhandlungen zu führen, so als gäbe es keinen Terror, und den Terror zu bekämpfen, als fänden keine Verhandlungen statt“. Auch mit Blick auf den Verhandlungspartner bleibt Mizna Rabin treu: „Wir schließen mit unseren Feinden Frieden, nicht mit unseren Freunden“, zitiert er Rabin und zeigt Bereitschaft, mit Arafat zu reden, obwohl er „den palästinensischen Terror anführt“. Innerhalb eines Jahres will der Spitzenkandidat der Arbeitspartei „ganz unabhängig von politischen Entwicklungen“, die Siedlungen im Gaza-Streifen auflösen, sollte er bei den Wahlen Ende Januar gewinnen. Sollten sich die Verhandlungen scheitern, würde Mizna die einseitige Trennung zwischen Israel und dem Westjordanland vorantreiben. Auch in Jerusalem müsste „eine Einteilung“ vorgenommen werden, meint er.
Für seine „zu taubenhafte“ Einstellung wurde der Spitzenkandidat der Opposition bereits aus den eigenen Reihen kritisiert. Dennoch kündigte Scharon an, dass er nach den Wahlen „mit Mizna eine Einheitsregierung“ aufstellen will, was der Sozialist aber nahezu ausschließt.
Hoffnung auf einen Einzug in die Koalition Scharons äußerte die neue Rechts-außen-Liste „Nationale Einheit“ von Avigdor Liebermann. Mit harten Angriffen gegen Mizna, der „einen Transfer der Juden“ verfolge und „vor dem Terror kapituliert“, warnte Liebermann, die Arbeitspartei ins Kabinett zu rufen. Die „Nationale Einheit“ will israelische Araber, die der PLO nahe stehen, des Landes verweisen, und die islamische Bewegung gesetzlich verbieten lassen. Einen „Transfer“ sieht das Parteiprogramm nur für Palästinenser vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen