: Schwere Zeiten für Kenias Muslime
Die islamische Gemeinschaft in dem ostafrikanischen Land blickt nach den Anschlägen auf israelische Touristen besorgt in die Zukunft. Der Rat der Imame verurteilt die Attentate. Saudi-Arabien bemüht sich um Einfluss und finanziert Islamschulen
aus Mombasa ILONA EVELEENS
Die Attentate auf israelische Touristen in Kenia waren am vergangenen Freitag Thema der Predigten in den Moscheen des ganzen Landes, in dem 10 Prozent der Bevölkerung Muslime sind. Der kenianische Rat der Imame verurteilte die Anschläge und kritisierte zugleich die israelische Politik gegenüber den Palästinensern sowie den mangelnden Willen der USA, sich für eine friedliche Lösung im Nahostkonklikt einzusetzen.
„Wir fordern die kenianische Regierung auf, ihre Beziehungen zu Israel, Palästina und den USA einzufrieren, bis es Frieden im Nahen Osten gibt“, sagt Ali Shee, der Vorsitzende des Rates der Imame. „Nicht nur die diplomatischen Beziehungen, sondern auch die wirtschaftlichen Kontakte.“
Der große grauhaarige Mann in seinem schneeweißen Hemd sitzt in seinem Büro neben der Moschee in Mombasa. Auf seinem Schreibtisch liegen zwei dicke Bücher: der Koran und ein englisches Wörterbuch. Shee meint, es sei besser, wenn keine größeren Gruppen amerikanischer und israelischer Touristen mehr nach Kenia kämen. „Sie ziehen Attentäter an und machen das Land unsicher. Wirtschaftliche Konsequenzen? Früher haben wir doch auch ohne diese Besucher gelebt!“
Französische Geheimdienstquellen gehen davon aus, das Ali Shee möglicherweise hinter den Anschlägen in Kenia steckt. Der Rat der Imame soll diesen Angaben zufolge unter den somalischen, sudaneischen und jemenitischen Gemeinden in Mombasa Mitglieder für al-Qaida geworben haben. Doch bislang ist Shee auf freiem Fuß. Nervös erklärt er gegenüber der taz: „Ich habe keine Kontakte mit al-Qaida und habe auch nie welche gehabt.“
Die kenianische Regierung versucht die Bevölkerung mit der Mitteilung zu beruhigen, es seien besondere Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden. Alle Zufahrtswege um Mombasa sollen besser bewacht sein. Aber davon ist wenig zu spüren – außer dass die Polizei entlang der Straße postiert ist, auf der Präsident arap Moi zum Hotel Paradise fährt, wo drei Selbstmordattentäter am vergangenen Donnerstag dreizehn Menschen mit in den Tod rissen.
Auf dem Flughafen von Mombasa zeigen dagegen israelische Sicherheitskräfte deutlich Präsenz. Mit halbautomatischen Gewehren und Granaten am Gürtel patrouillieren sie durch das Gebäude.
Scheich Najib Balala, ein muslimischer Oppositionspolitiker, sieht darin eine Provokation. „Wo waren sie vor dem Anschlag? Die Israelis und Amerikaner haben doch so gute Sicherheitsdienste! Seit 1994 kommen jede Woche Charterflüge aus Israel an. Es gibt dann umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen auf dem Flughafen. Aber sobald die Touristen im Bus auf dem Weg zum Hotel sitzen, ist keine Rede mehr von größerer Sicherheit für die Besucher aus Israel.“
Balada fürchtet, dass die Zeiten für die kenianischen Muslime, die entlang der Küste die Mehrheit der Bevölkerung stellen, härter werden könnten. „Alle Muslime werden dann in einen Topf geworfen. Wir sollen plötzlich alle für die grausame Tat verantwortlich gemacht werden. Aber es ist ein ausländischer Streit, der sich auf unserem Boden abspielt.“
Der Scheich hatte Anfang der Neunzigerjahre eine radikale muslimische Partei gegründet, die aber nicht mehr existiert. Er gilt seither als gemäßigt. Balada geht davon aus, dass die Attentäter aus dem Ausland kommen. „Länder wie Saudi-Arabien versuchen, ihre Ideen hier in Kenia auf die Gläubigen zu übertragen“, sagt Balada. Sie finanzierten den Rat der Imame und Islamschulen. Imame und Lehrer verbreiten dann deren Anschauungen.“ Balada zeigt einen Brief, den er an US-Präsident George Bush geschrieben hat und in dem er dessen Politik unterstützt. „Ich werde der israelischen Regierung auch einen solchen Brief schicken. Auch dort muss man wissen, dass wir keine radikalen Muslime sind.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen