: Unruhe in der Staatsanwaltschaft
Generalstaatsanwalt Karge ist nach seinem erfolgreichen Prozess gegen die Justizsenatorin in sein Büro zurückgekehrt. Weder seine Kritiker noch seine Unterstützer sind erfreut. Grüne schlagen vor, ihn auf einen unwichtigen Posten abzuschieben
von PLUTONIA PLARRE
Es war kein herzlicher Empfang, den die 330 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte dem umstrittenen Generalstaatsanwalt beim Landgericht, Hansjürgen Karge, gestern bereiteten. Der geschasste „General“, der in der Behörde nur wenige Freunde hat, hatte am vergangenen Freitag in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren beim Verwaltungsgericht durchgesetzt, dass er bis zu einem endgültigen Urteil in sein Büro zurückkehren darf.
Drei Monate nach dem er vom Abgeordnetenhaus auf Empfehlung von Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) abgewählt worden war, meldete sich Karge nun zurück. Bevor er in sein Büro nach Moabit fuhr und dort mit Teilen der Presse Hof hielt, war es zu einem Vieraugengespräch mit der Senatorin und einem Treffen mit Personalratsvertretern und Hauptabteilungsleitern der Staatsanwaltschaft gekommen. Die Lage sei für alle Beteiligten nicht leicht, beschrieb Schuberts Sprecherin Andrea Boehnke die Stimmung. Die Senatorin habe an die Versammelten appelliert, vernüftig miteinander umzugehen, damit die Arbeit und das Ansehen der Staatsanwaltschaft nicht belastet würden. Gleichzeitig habe Schubert aber keinen Zweifel daran gelassen, dass sie Beschwerde gegen die Gerichtsentscheidung einlegen werde.
Das Urteil war völlig überraschend gekommen. In der Staatsanwaltschaft macht sich nun Sorge vor der Ungewissheit breit. Zu groß sind die Probleme, als dass man sie noch länger vor sich hergeschieben könnte. Nicht nur für die Staatsanwälte, die im Sommer offen ihre Freude über die Abwahl gezeigt haben, ist Karges Rückkehr nicht leicht. Auch diejenigen, die die Ansicht des Gerichts teilen, dass Karge kein politischer Beamter, sondern ein Laufbahnbeamter ist, sind alles andere als froh. „Der Arbeit in der Behörde“, heißt es, „ist damit nicht gedient.“
So hatten auch Schuberts Rechtsvertreter in dem Prozess argumentiert. Das Vertrauensverhältnis zwischen der Justizsenatorin sowie dem Generalstaatsanwalt beim Kammergericht, Dieter Neumann, und Karge sei „grundlegend zerstört“. Hintergrund ist, dass Karge sich in der Vergangenheit nicht an Absprachen gehalten hatte. Er hatte etwa ohne Rücksprache mit Schubert personelle Veränderungen in der Sonderermittlungsgruppe Bankgesellschaft vorgenommen. Die Fünfte Kammer des Verwaltungsgerichts war der Meinung, Karges Rechte gingen vor. Die Justizsenatorin habe genügend Möglichkeiten, den Chefankläger anders als durch eine Versetzung in den Ruhestand in die Schranken zu weisen. Nach dem Motto: „So schlimm, wie alle tun, ist Karge doch gar nicht“, stellte sich der Vorsitzende Richter sogar auf die Position: Er habe keinen Zweifel, dass sich ein Spitzenbeamter wie Karge „loyal verhält und die Weisungen befolgen wird“.
Wolfgang Wieland, früher Justizsenator und Grünen-Fraktionschef, hat da so seine Zweifel. Schließlich hatte Karge am Freitag vor Journalisten gesagt: „Ich wurde wie ein räudiger Hund vom Hof gejagt. Wie soll ich mit diesen Leuten einen Kompromiss schließen?“ Karge, so Wieland, „ist viel zu beleidigt, um sich loyal zu verhalten“. Das Beste wäre, ihn auf eine Stelle abzuschieben, wo er keinen Schaden anrichten könne. Wieland: „Alles andere ist eine Katastrophe.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen