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Die Bühnen kollabieren

Im Westen verliert die Kultur weiter an Boden. Nach der Deutschen Oper rutscht auch die Schaubühne ins finanzielle Chaos. Theaterausschuss: Fast alle Bühnen im Defizit und mit Besucherrückgang

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Auf den landeseigenen Sprech- und Musikbühnen brennt auch im kommenden Jahr sozusagen der Vorhang. Verantwortlich dafür ist die schwierige finanzielle Haushaltslage der städtischen Bühnen und Orchester. Mehrausgaben des Landes kommen nicht in Frage, und eine günstigere Entwicklung an den Häusern selbst ist nur in Ansätzen erkennbar.

Bis zum 30. Juni 2002, sagte PDS-Kultursenator Thomas Flierl gestern bei der Vorstellung des Bühnenberichts vor dem Theaterausschuss im Abgeordnetenhaus, seien bei den großen Theatern, Opern und Orchestern der Stadt „rund 3,6 Millionen Euro mehr“ Aufwand aufgetreten, „als in deren Wirtschaftsplänen veranschlagt worden war“. Auch bis zum Ende des Jahres könnten – trotz der anvisierten Verringerung der Defizite etwa bei den Opern, dem Deutschen Theater oder dem Maxim Gorki Theater in Höhe von rund 2 Millionen Euro – fast alle Bühnen keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Als „äußerst kompliziert“ bezeichnete Flierl die Situation der Deutschen Oper an der Bismarckstraße, die das Jahr 2002 mit einem Minus von 1,6 Millionen Euro abschließen werde.

Außerdem rechnet Flierl mit einem weiteren „Einbruch“ bei der Schaubühne. Das von Thomas Ostermeier und Sasha Waltz geleitete Theater werde ein Defizit von 1,13 Millionen Euro verbuchen. Zwar habe die Geschäftsführung der Schaubühne zugesagt, 2003 einen ausgeglichenen Wirtschaftsplan vorzulegen. „Dennoch haben wir seit Jahren immer wieder das Problem, dass der Zuschuss nicht ausreicht“, bemängelte Flierl. Die Subventionen für das renommierte Theater liegen gegenwärtig bei 11,88 Millionen Euro.

Zugleich, betonte der Senator, laufen der Schaubühne – trotz des künstlerisch qualitativen Programms – die Besucher weg, während andere Häuser, wie etwa das Berliner Ensemble oder die Volksbühne, hohe Auslastungen haben. Der PDS-Abgeordnete Wolfgang Brauer sah gestern eine „existenzgefährdenden“ Situation der Schaubühne.

Die Grünen-Abgeordnete Alice Ströver, Vorsitzende des Kulturausschusses, sprach von einem „gravierenden Einbruch“ bei den Zuschauerzahlen, die um rund 33.000 zurückgegangen seien. Insgesamt besuchen fast 3 Millionen Menschen jährlich die Berliner Bühnen.

Während der Schaubühnen-Direktor Jürgen Schitthelm ein Refomprogramm zur Erhaltung der gesamten Opern- und Theaterlandschaft Berlins forderte, nannte Flierl es gestern „schwierig“, herauszufinden, mit welchem nachhaltigen Konzept die Theater gesichert werden könnten. Die Aktivierung von Drittmitteln, etwa durch die Lotto-Stiftung, sei „eine Maßnahme“, aber „keine Dauerlösung für die Probleme“. Flierl räumte ein, dass angesichts eines Zuschauerrückgangs von fast zehn Prozent hier ein „Riesenproblem“ bestehe. Ende des Jahres will die Kulturverwaltung ein Konzept zur strukturellen Reform wenigstens der drei Opernhäuser präsentieren.

Matthias Wambach, CDU-Kulturexperte, warf dem Senator vor, gestern ein „offizielles Bekenntnis zur strukturellen Ratlosigkeit“ abgeliefert zu haben. Ströver, Exstaatssekretärin von Flierls Vorgängerin Adrienne Goehler, bezeichnete den Bericht – im Gegensatz zu den Vorlagen früherer CDU-Kultursenatoren – zwar als Beweis für Flierls „redliches Bemühen, den Theaterproblemen ins Auge zu sehen“. Dennoch sei „kein „Konsolidierungskonzept“ aus dem Hause des Senators erkennbar geworden, so Ströver. Es müssten Wege gefunden werden – ob durch das Land, den Bund oder andere Institutionen – die Häuser „zu entschulden“.

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