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vorlaufMorituri te salutant

„Tod der Todesstrafe“ (Arte, 20.45 Uhr)

China hat einen brutalen Weltrekord aufgestellt. Es werden hier mehr Menschen hingerichtet als in allen anderen Ländern der Welt zusammen. Das Land nennt 73 Delikte, für die die Todesstrafe verhängt werden soll. Darunter: Geldfälschung, Korruption, Rauschgifthandel, Zuhälterei und schwerer Gemüsediebstahl. 2001 wurden 2.468 Menschen exekutiert. Der grausige Höhepunkt wurde laut amnesty international 1996 mit 4.367 erreicht.

Joachim Holtzs Film „Der Weltrekord“, der den Auftakt zum Arte-Themenabend über die Todesstrafe bildet, dokumentiert präzise, in welch entwürdigende Prozedur die zum Tode Verurteilten gezwungen werden. Und wie seitens der Regierung Stimmung für die Todesstrafe gemacht wird.

Wenn die zum Tode Verurteilten mit Lastwagen zum Hinrichtungsplatz deportiert werden, so geschieht das offenbar gewollt öffentlich. Bei zynischen Hinrichtungsfestivals werden sie vor ihrer Exekution im Sportstadion zur Schau gestellt. Holtz’ Kamera fährt über das entweder gleichgültig achselzuckende oder voyeuristisch erregte Publikum auf den Rängen, um kurz darauf an schmerzvoll zuckenden Gesichtern der Verurteilten hängen zu bleiben. Die meisten Zuschauer sind uniformiert, Staatsdiener zum Gaffen abkommandiert.

Wie das staatliche Morden unter einer Justiz, die kein „in dubio pro reo“ kennt und erst seit 1997 Anwälte zulässt – die immer wieder wegen „Untergrabung staatlicher Autorität“ verhaftet werden – funktionieren kann? Der Film bleibt nicht bei der bloßen Darstellung der Willkür-Justiz stehen, sondern schildert das sozialpolitische Klima, in dem sich diese ausbreiten kann. Eine kleine Elite widmet sich Aktienkursen, das staatliche Versorgungssystem ist weitgehend ausgeschaltet, 130 Millionen Menschen ziehen auf Arbeitssuche umher, auf dem Land herrscht Armut. Die Hemmschwelle vor staatlicher Gewalt wird durch zunehmende Grausamkeit öffentlicher Rituale Schritt für Schritt gesenkt.GITTA DÜPERTHAL

Weiteres Programm: „Im Herzen des Henkers“ (21.15 Uhr), „The Innocence Project“ (22.10 Uhr), „Tötet sie!“ (22.30 Uhr)

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