Sangatte schließt zu Silvester

Der britische und der französische Innenminister einigen sich darauf, das Flüchtlingslager am Kanaltunnel früher als geplant dichtzumachen. 2.000 der 4.000 Menschen dürfen nach Großbritannien, 350 in Frankreich bleiben – und die Übrigen?

aus Paris DOROTHEA HAHN

Es wird ein Silvestergeschenk: Sangatte, das nah am Kanaltunneleingang gelegene Durchgangslager für Flüchtlinge, die nach Großbritannien streben, macht zum 30. Dezember zu. „Definitiv“, so haben es der französische und der britische Innenminister verkündet, die sich gestern in London trafen. Die Lagerhalle soll anschließend zerstört werden. Von den rund 4.000 registrierten Bewohnern des Zentrums – von denen die meisten aus dem irakischen Kurdistan und aus Afghanistan geflohen sind – sollen knapp 2.000 Aufenthaltspapiere in Großbritannien bekommen, sagte der Sozialdemokrat aus London, David Blunkett. Der Konservative aus Paris, Nicolas Sarkozy, kündigte an, Frankreich werde rund 350 Menschen aus Sangatte Asyl gewähren. Was mit den übrigen Lagerbewohnern geschehen soll, verrieten die beiden nicht.

Die beiden Innenminister legen damit eine Eillösung vor – und schließen das 1998 aus humanitären Gründen eröffnete Zentrum, das in den vergangenen Monaten in beiden Ländern zum Politikum gemacht worden war, drei Monate früher als bislang geplant. Nach Informationen aus Paris wäre der Brite am liebsten noch rasanter vorgegangen. Doch der Franzose verlangte Zeit bis zum Jahresende, um zusammen mit dem Flüchtlingsrat der Vereinten Nationen (UNHCR) die Identität der Lagerbewohner komplett erfassen zu können. Im Anschluss an ihre Erfolgsmeldung sprachen sich die beiden Minister gestern gegenseitig Komplimente für die „Effizienz“ ihrer bisher sechsmonatigen Zusammenarbeit aus. Der Brite verwies auf die Asyländerung, die in seinem Land am 8. November in Kraft trat, und die er die „kompletteste und radikalste Reform seit 30 Jahren“ nennt. „Wir nehmen jetzt Leute auf, die sowieso einen Asylantrag bei uns gestellt hätten“, sagte Blunkett, „sie hätten Großbritannien auf jeden Fall Geld gekostet, ohne dass wir gleichzeitig eine Lösung hätten suchen können.“

Frankreichs Innenminister Sarkozy hatte die Schließung von Sangatte zu einem zentralen Anliegen gemacht. Gleich nach seinem Amtsantritt war er ein erstes Mal in das Durchgangslager am Kanaltunnel gefahren. Er war der erste französische Minister, der sich dort jemals blicken ließ. Die Mitglieder der rot-rosa-grünen Regierung hatten es vorgezogen, das Problem aus der Pariser Ferne zu behandeln.

Die neue franco-britische Zusammenarbeit auf dem Rücken der Flüchtlinge soll nicht mit der Lagerschließung enden. Die beiden Innenminister wollen in Zukunft bilateral besetzte Kontrollen – unter anderem im benachbarten Hafen von Calais, wo sich zahlreiche Lkws nach Großbritannien einschiffen – durchführen. Für künftige Flüchtlinge bieten die beiden Innenminister keine Lösungen.