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Mein Defizit ist besser als dein Defizit

Bei der Debatte über die Haushalte 2002 und 2003 verteidigt Bundesfinanzminister Eichel sich nach vorn so gut er kann: Immerhin zahle der Bund weniger Zinsen als unter Kohl. Doch die Zahlen stehen zu schlecht für einen starken Auftritt

von HANNES KOCH

In der ersten großen Haushaltsdebatte der neuen Legislaturperiode war Bundesfinanzminister Eichel gestern in einer schwierigen Lage. In der Defensive musste er den Eindruck vermitteln, den Bundesetat noch immer im Griff zu haben. Er argumentierte, deckte die Opposition mit Zahlen ein, ätzte über die zerrütteten Finanzen der unionsregierten Bundesländer und ließ mit Genuss die finanzpolitischen Ergebnisse von 16 Jahren Kohl-Regierung Revue passieren.

Trotzdem fasste ein Abgeordneter der Regierungsparteien Eichels Rede so zusammen: „Der Finanzminister steht mit dem Rücken zur Wand und versucht sich abzudrücken.“ Denn das Finanzpaket, das Eichel gestern in den Bundestag einbrachte, bietet der Opposition jede Menge Ansatzpunkte für Kritik.

Entgegen der ursprünglichen Planung musste die rot-grüne Koalition einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr auflegen. Unter anderem wegen der Steuerausfälle steigt die Verschuldung um 13,5 Milliarden auf insgesamt 34,6 Milliarden Euro –und damit weit über die zulässige Grenze des europäischen Maastricht-Vertrages von 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts hinaus. Um die hohe Neuverschuldung zu rechtfertigen, musste der Finanzminister die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts für das laufende Jahr ausrufen.

Eichels größtes Problem besteht darin, dass die Lage für 2003 sich in eine ähnliche Richtung entwickeln könnte wie 2002. Die prognostizierte Verschuldung liegt schon wieder bedenklich nahe am Maastricht-Limit, wobei das Finanzministerium ein Wachstum von 1,5 Prozent unterstellt – was manche Wirtschaftsforscher für zu hoch gegriffen halten.

Eichel ermahnte die Bundesländer, sich an „dem riesigen Kraftakt“ der Konsolidierung der Haushalte zu beteiligen. Nur einen Teil der Defizite nehme er auf seine Kappe, ein großer Teil liege dagegen in der Verantwortung der Bundesländer. Die Unionsregierungen attackierte Eichel mit dem Vorwurf, sie würden sich nicht ausreichend darum bemühen, die Hinterziehung von Umsatzsteuer zu verhindern. Das koste die öffentlichen Kassen Milliarden.

Unionsfraktionsvize Friedrich Merz bezeichnete den gesamten finanzpolitischen Kurs der rot-grünen Regierung als gescheitert. Eines seiner Hauptargumente: Die Gesamtverschuldung des Bundes steige noch immer an, anstatt zu sinken. 1998 habe die Bundesschuld 685 Milliarden Euro betragen, dieses Jahr seien es bereits 725 Milliarden Euro. Von Konsolidierung also keine Spur, erklärte der Finanzexperte der Opposition.

Der Bundesfinanzminister hielt dagegen, dass es ihm immerhin gelungen sei, die Zinszahlungen aus dem Bundesetat im Vergleich zu den Steuereinnahmen deutlich zu drücken. Während Unionsfinanzminister Theo Waigel (CSU) noch 21,4 Prozent Zinsen pro Jahr überweisen musste, seien es jetzt nur noch 19,2 Prozent. Das schaffe den dringend benötigten Handlungsspielraum.

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