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Ausgeschaltete Kontrolllampen

„Tu‘ das nicht, Anarchist“: Rocko Schamoni, pomadiger Entertainer mit hennaroter Punkvergangenheit, zelebriert am Donnerstag im Phonodrome sein ironisiertes Poppertum zwischen Disco-Nostalgie und Soul-Raffinesse

von MARC PESCHKE

Rocko Schamoni ist der Dandy des Underground, eine schillernde Figur mit engen Hosen, Pfeife und Siegelring – und einer der überzeugendsten Musiker im Hamburger Sumpfgebiet zwischen Disco-Nostalgie, House-Innovation und Soul-Raffinesse. Schamoni ist gut, weil er unberechenbar ist: Er ist ein pomadiger Verführer, ein postmoderner Ironiker, ein surrealistischer Wortakrobat, ein Punk mit Popperschnitt, ein Möchtegern-Popstar und ein freiwillig komischer Erotomane. Schon vor Jahren drohte er: „Du wählst CDU – darum mach‘ ich Schluss“. Seitdem zelebriert Schamoni wahlweise sein „autonomes Poppertum“ oder „liebenden Protest“ – je nach Lust und Laune.

Auf seinem letzten Album reimte er aus „Building a bridge to your heart“ kurzerhand „Wehre dich gegen den Staat“, und ähnlich funky klingt die Revolution auch auf Der schwere Duft von Anarchie – dem aktuellen Werk, das so schwer zu fassen ist wie Schamoni selbst. Das ganze Album ist durch kleine Hörspiele gegliedert, in denen Schamoni zum Beispiel in die Traumrolle des „schönen Anarchisten“ schlüpft – um mit exotischen Bewunderinnen im Mondschein zu baden. Schamoni ist der Hohepriester einer Philosophie der revolutionären Liebe, der sich von schaudernden Gespielinnen unerhörte Dinge ins Ohr hauchen lässt: „Tu‘ das nicht, Anarchist! Lass‘ mich, Hilfe! Du brauchst niemanden, Anarchist. Du machst alles kaputt, das ist so sexy.“

Sein Album Jeans und Elektronik hätte Schamoni schon vor mehr als zehn Jahren beinahe zum ersten Superstar des Schlagerrevivals gemacht. Aber eben nur beinahe. Heute ist das Schlagerrevival vielerorts in Vergessenheit geraten, doch Schamonis Musik glänzt heller denn je. Jetzt kriechen die Noten wie schmierige Schnecken vom Funkbass, das Keyboard schlägt zuckersüße G-Funk-Sahne dazu – und die luftigen Drum-Beats scheinen in Milch zu schwimmen. Seine erste Single hat Schamoni „Liebe kann man nicht kaufen“ genannt. Das war 1987. Jetzt ist aus dem hennaroten Ostseepunk und späteren Reeperbahn-Dandy mit Glitzeranzug und Sombrero ein veritabler Soulsänger geworden.

Dass Rocko Schamonis Jet-Set-Rebellion bis heute fasziniert, liegt an seinen Fähigkeiten als Entertainer. Und ein wenig erinnert er dabei tatsächlich an sein italienisches Vorbild Adriano Celentano, über den er sagt: „Celentano verkörpert die Kategorie gescheiterter Bankräuber, aber er ist auch ein guter Typ, einer, der Leute durch Liebe und Show überzeugt.“

Schamoni – der seine so genannte „Welttournee“ auf der Theaterbühne im Frankfurter Mousonturm startete – schaltet, wenn er in Fahrt ist, alle Kontrolllampen aus. Dann erzählt er von seiner „tabalugamäßigen Geistesverwandtschaft zu Peter Maffay“, führt vor, wie man sich als Prog-Rocker verbeugt, erzählt von seiner erstunkenen und erlogenen Vergangenheit in der Werbebranche – und ruft danach zum Kampf um jeden Bauwagen auf. In Frankfurt gab Schamoni aber vor allem den Vorsteher einer veritablen Lounge-Band.

Mit Saxophon, Trompete, Orgel und Schlagzeug spielten sich Jogging Mystique durch die Jazzstile, doch nur langsam kam Bewegung in die schwerfällige Menge. Aber Frankfurt am Main, laut Schamoni „die Stadt des Geistes“, war schon immer schwierig. In Hamburgs Phonodrome läuft der Hase bestimmt anders.

Lesung: Donnerstag, 21 Uhr, Konzert: 22 Uhr, Phonodrome

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