Es büßt mal wieder der kleine Mann

Neuer France-Télécom-Chef stellte dem Aufsichtsrat sein Sanierungskonzept vor: 45.000 Stellen werden gestrichen

PARIS taz ■ Krisenstimmung herrschte gestern bei den 150.000 Beschäftigten der France Télécom. Bevor am Abend der neue Unternehmensboss, Thierry Breton, seinen Sanierungsplan im Aufsichtsrat vorstellte, wusste die Gerüchteküche bereits, wer für die schweren Managementfehler der letzten Jahre büßen soll: 45.000 Stellen werden langfristig gestrichen, davon 20.000 Beschäftigte in den vorzeitigen Ruhestand geschickt.

Mit weltweiten Aufkäufen hatte das Unternehmen seit seinem Börsengang im Oktober 1997 Rekordschulden von knapp 70 Milliarden Euro angehäuft. Im Wettlauf mit anderen privatisierten Telekom-Unternehmen hatte sich France Télécom bei der rasanten Expansion nicht nur in Unternehmen von Polen über Dänemark bis nach Italien, von Mexiko bis Kamerun eingekauft, sondern es zahlte auch die spekulativ überhöhten Preise der Boomjahre – für den britischen Mobiltelefonanbieter Orange etwa 45 Milliarden Euro. In Deutschland gab France Télécom 3,7 Milliarden für Mobilcom aus – alles im Auftrag und Abstimmung mit der Regierung.

1995 hatte der konservative Regierungschef Alain Juppé den France-Télécom-Chef, Michel Bon, mit explizitem Auftrag in das Amt eingeführt: expandieren. Zwei Jahre später übernahm die rot-rosa-grüne Regierung die Kontrolle über den Börsengang des Unternehmens, dessen Aktien sich bis heute zu 56 Prozent in Staatshand liegen.

Die jetzt wieder rechte Regierung in Paris löste Bon vor zwei Monaten an der Spitze ab. Seinem Nachfolger Breton, der gestern seinen Sanierungsplan vorlegte, sagte Premierminister Jean-Pierre Raffarin Unterstützung beim Abbau des Schuldenberges zu. Nach Informationen des konservativen Blattes Figaro wird die Unterstützung ein Trickgeschäft sein: Die Regierung will dem Unternehmen 9 Milliarden Euro als Aktionärskredit gewähren. Mit dieser Hilfe und mit einigen Investitionsverschiebungen – darunter dieUMTS-Technik – soll die Télécom über die nächsten Monate kommen. Umgekehrt erwartet die Regierung ein behutsames Vorgehen von Boss Breton, um massive Proteste des Wahlvolkes zu vermeiden.

Erwartungsgemäß reagierte die Börse positiv. Gestern Mittag stieg sie – 1997 zu 27,75 Euro ausgegeben – bereits wieder auf knapp 17 Euro. Im September, als die Höhe des Schuldenberges bekannt wurde, hatte sie noch bei 6,75 Euro gelegen. CGT-Gewerkschafterin Joëlle Roeye: „Wir haben schon damals gegen die Investitionen protestiert: wegen der unvernünftig hohen Kosten und weil dahinter eine Strategie des Raubbaus und keinerlei Kooperation in Europa steckte“.

DOROTHEA HAHN