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corporate identity im dirty workshop

Bilder, Töne und Botschaften in den Medien: reichlich Stoff für die zum fünften Mal von der Bremer Hochschule für Künste veranstaltete „profile intermedia“ – mit mehr Praxis und kontrastreicherem Programm als früher

Veranstalter Peter Rea: selbst eine perfekte Verkörperung der „corporate identity“Markendenken bei kulturellen Institutionen:selling statt telling?

Natürlich zog er wieder seine Show ab, natürlich war er wieder der grosse Zampano, der Hans Dampf in allen Gassen, der ewige Hippie als Entertainer. In den ersten Jahren glaubte man bei „profile intermedia“ noch, man bräuchte einen großen Namen, um die Leute in die Stadthalle zu locken. Zuerst war es Peter Greenaway, dann Wim Wenders, der dann allerdings schon nicht mehr kam – und es ging auch gut ohne ihn. Denn der Star der Veranstaltung ist doch sowieso der Veranstalter Peter Rea himself. Seine kurzen Einführungen und Überleitungen auf der Bühne, seine fast mirakulöse Omnipräsenz und auch seine grandiosen Wortblasen bilden inzwischen wie nichts anderes die „corporate identity“ der Veranstaltung.

Mit den Jahren ist er einem richtig ans Herz gewachsen, auch oder gerade weil er sich oft eher wie ein Scharlatan denn wie ein seriöser Konferenzleiter gebärdet. Das „profile film festival“ etwa, das er für Freitagabend versprochen hatte, entpuppte sich als eine magere 16-Millimeter-Filmrolle, auf der fünf Experimentalfilme vom „european media art festival“ in Osnabrück gezeigt wurden.

Die boten nun allerdings auch einen spannenden Kontrast zum Rest des Programms. Und nicht nur weil das Motto der diesjährigen Konferenz „Kontraste“ hieß, war es richtig und wichtig, den meist sehr jungen StudentInnenen, die den größten Teil des Publikums bildeten, zu zeigen, dass es auch noch ganz andere Bilder als die modischen, herrschenden gibt.

Auch insgesamt war das Programm kontrastreicher als in den früheren Jahren. Zwar hatte man immer noch den Eindruck, Peter Rea hätte – wie jedes Jahr wieder – seine paar besten Kumpels, die er überall auf der Welt hat, eingeladen (etwa: Paul M. Sammon erzählt wieder von Hollywood), aber er und sein Team hatten sich diesmal wirklich Gedanken darüber gemacht, wie man die strenge Rollenverteilung zwischen aktiven Vortragenden und passivem Publikum aufbrechen kann. Es gab viel mehr Workshops als in früheren Jahren, darunter auch die so genannten „dirty workshops“, in denen sich die Teilnehmer die Finger schmutzig machen mussten. Etwa bei den Tonskulpturen, die unter der Leitung von David Blade gebastelt wurden, oder an der Graffittiwand von Thomas Marecki.

Bei den Vorträgen im Auditorium fiel ebenfalls auf, dass das Motto „Kontraste“ durchaus ernst genommen wurde – etwa, wenn am Samstag Tony Gibbs von der Londoner Middlesex University unter dem Thema „Sonic Arts“ vorführte, wie mit neuster Computertechnologie digitale Soundlandschaften möglich werden, in denen die Grenzen zwischen Klang und Geräusch, Musik und Lärm, organischen und virtuellen Tönen aufgelöst werden.

Was hätte wohl John Cage dazu gesagt? In dem nachfolgenden Vortrag versuchten Peter Rautmann, Rektor der Bremer Hochschule für Künste, die die „profile intermedia“ veranstaltet, und sein Kollege Nicolas Schalz nicht nur, die Grundfragen der Musik aufzuzeigen, an denen John Cage arbeitete (die Gleichzeitigkeit, die Gleichwertigkeit aller Töne, der Zufall, die Stille, das nichtkomponierte Werk), sondernauch, sie akustisch und visuell deutlich zu machen.

Die wohl eindrucksvollsten Kontraste gab es zwischen zwei Vorträgen am Freitagnachmittag. Zuerst brachte der englische Designer Nick Bell eine Polemik gegen die Übermacht der „corporate identities“, in der er sehr detailreich und informativ darlegte, wie das Markendenken überhand nimmt und inzwischen auch kulturelle Institutionen befallen hat. So merkte Bell bei einem Auftrag der Tate Gallery, dass deren Management das „selling“ wichtiger geworden sei als das „telling.“

Die diametrale Gegenposition vertraten direkt anschließend Sean Perkins und Mike Betts von der Londoner Agentur „North“, die sich auf „corporate identities“ spezialisiert hat. Die beiden erzählten davon, wie sie das Design und damit auch das gesamte Image der traditionsreichen Firma RAC (des britschen ADAC) umkrempelten, und welche tiefgreifenden ökonomischen und psychologischen Folgen diese Veränderung nach sich zog. Solche Informationen, solche Geschichten, solche direkten Einblicke in die Arbeit von Spezialisten, die mit dafür verantwortlich sind, welche Bilder, Töne und Botschaften in unseren Medien vermittelt werden, machen die „profile intermedia“ jedes Jahr wieder zu einer spannenden Veranstaltung. Wilfried Hippen

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