: Anschläge in Bangladesch
Nach den Attentaten, die in Mymensingh 17 Tote fordern, werden dutzende Oppositionelle festgenommen. Gleichzeitig soll Bin Ladens Terrornetzwerk im Süden des Landes Fuß gefasst haben
aus Delhi BERNARD IMHASLY
Nach vier gleichzeitig ausgeführten Bombenattentaten auf Kinos der Stadt Mymensingh, die siebzehn Tote und zahlreiche Verletzte forderten, wird in Bangladesch über die Urheber der Anschläge spekuliert. Innenminister Altaf Hossein Chowdhury hatte zunächst al-Qaida verantwortlich gemacht. Gestern wurden jedoch zahlreiche Mitgliedern der oppositionellen Awami-Liga verhaftet, die, so die Regierung, auch unter dem Verdacht des Extremismus stünden.
Unter den 21 Festgenommenen in Mymenshingh befinden sich nach Polizeiangaben einige Studenten. In der Hauptstadt Dhaka handele es sich bei den 39 verhafteten Awami-Mitgliedern unter anderem um einen ehemaligen Minister und einen Universitätsdozenten. Ein Awami-Vertreter beschuldigte die Regierung, die Attentate für eine Hetzjagd gegen unliebsame politische Gegner zu missbrauchen.
Die Explosionen sind das vorläufig letzte Glied in einer Kette von Zwischenfällen mit scheinbar religiösen Motiven. Sie verändern das Bild eines Landes, das für das tolerante Gesicht des südasiatischen Islam stand. Ein Regierungswechsel und der 11. September 2001 haben dazu beigetragen. Bangladesch wird immer mehr zur Zielscheibe internationaler Kritik – wegen wachsenden Islamismusis, Übergriffen auf Minderheiten und der vermuteten Präsenz von al-Qaida.
In einer Resolution des Europäischen Parlaments wurden vor einem Monat schwere Bedenken gegenüber dem „Wiederaufleben des Fundamentalismus“ und Menschenrechtsverletzungen geäußert. Der Regierungskoalition von Premierministerin Khaleda Zia, die im Oktober 2001 überragend die Wahl gewann, gehören auch zwei islamistische Parteien an. Die „Islamic Oikya Jote“ und die „Jamaat Islami“ hatten im Wahlkampf kurz nach dem 11. September 2001 offen für Ussama Bin Laden und die Taliban Stellung bezogen. Laut bangalischen Beobachtern sind zahlreiche Mitglieder der IOJ auch in der „Harkat-ul Jihad al-Islami“ aktiv, der enge Beziehungen zu al-Qaida nachgesagt werden. Wie in Pakistan nutzen die beiden Parteien das Netz der 64.000 religiösen Schulen auch zur politischen Schulung.
Als Bin Laden 1998 seine Fatwa zum heiligen Krieg gegen die USA lancierte, gehörte zu den fünf Unterzeichnern auch Fazyul Rahman. Er hatte im Namen der „Jihad-Bewegung von Bangladesch“ unterschrieben. Rahman wird dem Umfeld der „Rohingya Solidarity Organisation“ zugerechnet, die im äußersten Süden ihre Lager haben. Die Rohingyas sind Muslime aus dem Arakan, der westlichen Küstenregion von Birma. Rund 150.000 von ihnen flüchteten seit den Achtzigerjahren vor der birmesischen Junta nach Bangladesch. Die antimuslimische Färbung der Unterdrückung stärkte die islamistische Ausprägung ihres Widerstands. Inzwischen ist ihr Ziel eine „Islamische Republik Arakan“. Religiöse Wohltätigkeitsorganisationen aus dem Mittleren Osten sorgten für eine breitere Ausrichtung. Inzwischen gelten Rohingya-Lager als Ausbildungsstätten für Untergrundorganisationen, die in Afghanistan, Kaschmir, den Philippinen und Indonesien tätig sind. Die indische Regierung hat zudem immer wieder moniert, dass diese Lager vom pakistanischen Geheimdienst ISI zum Training für antiindische Widerstandsgruppen benutzt werden. Berichte von Far Eastern Economic Review und Time haben solche Verbindungen kürzlich bestätigt und in Bangladesch einen Entrüstungssturm ausgelöst. Im Time-Artikel wurden Augenzeugen zitiert, die am 21.Dezember 2001 die Landung von rund 150 angeblichen Taliban und Al-Qaida-Mitgliedern in Chittagong beobachtet hatten. Sie sollen sich beim Fall von Kandahar abgesetzt haben. Die Regierung wies den Bericht als „Hirngespinst“ zurück. In Interviews bestätigten Regierungsvertreter allerdings vage eine Gefahr des Fundamentalismus.
Die frühere Premierministerin Sheikh Hasina muss wegen zu offener Kritik am eigenen Land inzwischen eine Anklage wegen Hochverrat fürchten. Sie hatte bemängelt, Bangladesch werde „zu einem sicheren Hafen für religiöse Fanatiker“, die von der Regierungskoalition unterstützt würden. Informationsminister Nazmul Huda sprach daraufhin von einer „gefährlichen Verschwörung gegen die Nation“.
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