nachgefragt: Kosovo-Roma: Koschnick appelliert an Innenminister
Minderheitenrechte durchsetzen
Die Innenministerkonferenz hat auf Empfehlung des Bremer Innensenators Kuno Böse (CDU) beschlossen, ab dem nächsten Sommer Minderheiten ins Kosovo „zurückzuführen“. Hans Koschnick (Foto), Bremer Altbürgermeister und ehemaliger UN-Berater für die Balkan-Flüchtlinge, unterschrieb dagegen einen Appell der Gesellschaft für bedrohte Völker, Roma und Aschkali jeweils einjährige Duldungen zu erteilen, bis sie „in Sicherheit und Würde“ zurückkehren können.taz: Warum setzen Sie sich für die Roma-Flüchtlinge ein?
Hans Koschnick: Roma und Sinti haben in Europa schrecklich gelitten. Wir Deutschen tun gut daran, uns zu erinnern, dass bei uns Roma und Sinti wie die jüdische Bevölkerung der Ausrottung preisgegeben waren. Deshalb erwarte ich, dass wir die Frage ihrer Rückkehr hier mit ein bisschen mehr Sorgfalt betrachten. Wer das Kosovo kennt, weiß, dass die Roma dort unter schweren Bedrängnissen zu leiden haben.
Senator Böse ist mit dem Eindruck zurückgekehrt, in Teilen des Kosovo seien Roma sicher. Sehen Sie das auch so?
Dann hätte ich den Aufruf nicht unterschrieben. Ich bin einige Male im Kosovo gewesen, habe dort mit Serben, Roma und Albanern gesprochen. Ich weiß, dass die ehemals starken Minderheitenrechte mit dem Zerfall Jugoslawiens verschwunden sind. Roma sind dort weitgehend rechtlos.
Wäre ein Bleiberecht für Roma aus dem Kosovo eine Lösung?
Nein. Wir sollten den Menschen die Möglichkeit bieten, nach Hause zurückzukehren. Es gab im Kosovo ein eigenes Roma-Theater und Radiosendungen; eigene Schulen mit zum Teil guten Leistungen. Im Kosovo hatten die Roma eine ganz andere Position als im übrigen Europa.
Wie lange müssten die Flüchtlinge denn noch bleiben?
Wir Europäer müssen endlich zeigen, dass es uns ernst ist mit einer neuen Ordnung im Kosovo, ob in Form einer Autonomie oder ganz selbstständig. Nur dann kann man den Menschen eine Perspektive bieten, dort wieder hinzugehen.
Böse argumentiert, es könne kein Bleiberecht aus wirtschaftlichen Gründen geben.
Wenn wir so konsequent wie in der Vergangenheit sagen: „Wirtschaftliche Gründe spielen keine Rolle“, machen wir denselben Fehler wie schon in Bosnien und Kroatien. Dort bekamen zwar einige ein Haus, aber die wollen jetzt wieder weg, weil sie keine Arbeit finden und durchs soziale Netz fallen.
Laut Otto Schily würde die Rückführung nach dem Plan der UN-Verwaltung Unmik 50 Jahre dauern …
Unmik-Kommandant Michael Steiner schildert einfach die jetzige Situation im Kosovo. Solange die Uno und die EU keine klare Anwort geben, was aus dem Kosovo werden soll, wird sich daran auch nichts ändern. Interview: Jan Kahlcke
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