piwik no script img

Bude, Bafög – und Bezahlstudium

Mit seinem „Münchner Modell“ will Universitätsrektor Wolfgang Herrmann die Debatte um Studiengebühren aufbrechen. Studierende erhalten eine Vielzahl von Vergünstigungen im Studium – als rückzahlbaren Kredit für die Zeit nach dem Examen

„Statt sozialer Selektion wollen wir eine Differenzierung nach Intellekt“

aus München JÖRG SCHALLENBERG

Wie das Studium der Zukunft aussehen soll, weiß Wolfgang A. Herrmann schon heute: Fünf Studenten teilen sich einen Professor. Es gibt einen Anspruch auf einen studiennahen Job. Und vielleicht sogar eine Wohnung.

Für das Wohnungsangebot würden ihm seine Studenten sofort um den Hals fallen. Denn Professor Wolfgang Herrmann ist Rektor der Technischen Universität München – und nirgendwo im Lande ist der Wohnungsmarkt derart brutal wie in der bayerischen Hauptstadt. Wo diese Wohnungen herkommen sollen, kann der findige TU-Rektor nicht sagen. Es bleibt so unklar wie vieles am Studiengebührenmodell, das Herrmann dieser Tage öffentlich gemacht hat. Lieber heute als morgen würde er es im eigenen Hause ausprobieren.

Der Grundgedanke des Bezahlstudiums Marke Herrmann ist einfach: StudentInnen sollen Gebühren zahlen. Dafür garantiert ihnen die Hochschule ein möglichst kurzes, intensives und qualitativ hochwertiges Studium – samt vernünftigen Rahmenbedingungen. Eine günstige Wohnung stünde bereit. Individuelle Betreuung wäre garantiert, Institute und Bibliotheken hervorragend ausgestattet – alles also, was bis dato an Unis nicht der Fall ist.

Um Gebühren und Lebensunterhalt finanzieren zu können, bekommen die Studierenden ein Darlehen – von der Hochschule. Zurückzahlen müssten sie es nach dem Examen, je nachdem, wie hoch ihr Einkommen ist. So will es das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), ein wirtschaftsliberaler Think-Tank von Bertelsmann-Stiftung und Hochschulrektorenkonferenz. Und so will es Herrmann, der seine Gebührenidee vom CHE abgekupfert hat.

Mit seinem Münchner Modell will der Rektor zum einen die seiner Meinung nach im internationalen Vergleich zweitklassigen deutschen Unis durch die zusätzliche private Finanzierung wieder wettbewerbsfähig gemacht werden. Zum anderen möchte er der Debatte um Studiengebühren die Schärfe nehmen.

Denn mittels des Darlehens, verbesserter Rahmenbedingungen und eines von der Wirtschaft finanzierten Stipendiensystems soll der Zugang zur Universität auch für Kinder aus wenig begüterten Elternhäusern erleichtert werden. „Unser Ziel muss sein, dass gerade begabte junge Menschen unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern an einer Spitzenuniversität studieren können“, schwärmt Herrmann, „wir wollen die bestehende soziale Selektion umpolen in eine Differenzierung nach intellektueller Leistung.“

Wie hoch ein solches Darlehen sein müsste, darauf mag (und kann) sich Herrmann nicht festlegen. Etwa 1.000 Euro pro Monat gelten als realistische Richtgröße. Ob sich begabte Abiturienten aus wirtschaftlich schlechter gestellten Familien allerdings durch die Aussicht an die Universität locken lassen, nach dem Studium mit einem immensen Schuldenberg dazustehen, bezweifeln nicht nur Vertreter vom bundesweiten „Aktionsbündnis gegen Studiengebühren“ (ABS). Der ultrakritische Think-Tank der Studierenden bezeichnet das Modell als „Verschlechterung der Zugangsmöglichkeit für Menschen aus bildungsfernen Schichten“.

Widerstand schlägt dem Münchner TU-Rektor zudem von anderer Seite entgegen. Bayerns Wissenschaftsminister Hans Zehetmair (CSU) bezeichnete Herrmanns Modell als „Sandkastenspielerei“. Er verwies auf die Hochschulrahmengesetze in Bund und Land, nach denen das gesamte Erststudium kostenfrei bleiben muss.

Tatsächlich aber haben sich die meisten bayerischen Hochschulrektoren längst für Gebühren ausgesprochen. Herrmann selbst will gar nicht am Gesetz kratzen: „Keinesfalls reden wir über einen Ersatz der staatlichen Finanzierung. Es sollen Zusatzleistungen finanziert werden, die über eine landläufige Standardqualität weit hinausgehen.“ So laufen seine Vorschläge vielmehr auf ein Studium erster und zweiter Klasse hinaus. Wer eine bessere akademische Ausbildung wünscht, soll die gefälligst bezahlen.

Dazu passt, dass Herrmann Universitäten eher als eigenständige Unternehmen denn als „nachgeordnete Behörden der Kultusbürokratie“ begreift und letztlich auf das Modell der privaten Hochschule zusteuert, die sich ihre Studenten per Eignungstest selbst aussucht. Wer dort nicht ankommt, geht dann eben auf die staatliche Uni. Der Vergleich mit dem Unterschied zwischen von einer privaten und von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlten ärztlichen Leistungen drängt sich geradezu auf.

Für ein Problem weiß allerdings selbst Wolfgang Herrmann keine Lösung. Wie sein Modell finanziert werden soll, steht in den Sternen. Sein Nochvorgesetzter Hans Zehetmair rechnet ihm genüsslich vor, dass allein die Münchner TU mit ihren 19.000 Studenten theoretisch 228 Millionen Euro jährlich für die Darlehen aufbringen müsste. Und auch bei der unverzichtbaren Förderung durch Unternehmen kann der Rektor keinen einzigen Partner aus der Wirtschaft benennen, der Interesse an dem Modell hätte. Schade. Die Münchner Studenten werden sich ihre Wohnung weiter selbst suchen müssen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen