: Alles auf früher
Die Rückkehr der Boheme: Mit dem „Ausland“ gibt es wieder einen Club für experimentelle Kunst und Musik
Berlin wird wieder aufregend, denn es wird wieder wie früher: Die Künstler ohne Geld lösen die ehemaligen New-Economy-Menschen ohne Geld ab, und in die schicken Cafés der Stadt zieht wieder der Boheme-Alltag ein.
Auch im Prenzlauer Berg. Der neu eröffnete Club „Ausland“ befindet sich genau dort, wo früher der legendäre Laden „Lychi 60“ zu Hause war, seinerzeit ein Ort für experimentelle Kunst und Musik mit Hausbesetzertradition. Um die Ecke, in der Dunckerstraße, befand sich zudem der ebenfalls einstmals besetzte „Anorak“, wo sich die so genannte „Echtzeit“-Szene der gepflegten Improvisation widmete, ohne in ausgedörrte Jazzclub-Traditionen zu verfallen. Zwei der „Anorak“-Macher sind jetzt auch im „Ausland“-Team.
Man möchte im „Ausland“ nicht nur eine bestimmte Klientel ansprechen, ein möglichst großes Spektrum abdecken: zwischen experimenteller Musik, weniger experimenteller Musik, Avantgardefilm, Sonntagnachmittagfilm, Performances, Diskussionsrunden und was sonst noch so gefällt. „Wir legen Wert auf die Verbindung verschiedener Künste und Menschen, auf Sex und auf Seele“, so beschreibt man dort den Ansatz.
Gefördert wurde das „Ausland“ über unterschiedliche Töpfe, das meiste Geld kam vom Berliner Senat. Natürlich haben die Fördermittel nicht ausgereicht, weshalb privat Kredite aufgenommen wurden. „Die Einnahmen des Festivals gehen erst mal in die Bauschuldentilgung“, so Elisabeth Enke, eine der vier Zuständigen für das Musikprogramm, die wie alle ehrenamtlich tätig ist. Mit den ersten Tagen des „Ausland“-Eröffnungsprogramms ist sie genauso zufrieden wie ihr Kollege Tim Tetzner: „So um die 300 Leute waren bei der Eröffnungsparty.“
Das „Ausland“ besteht aus einem kleinen Raum, der allerdings nicht trashig, punkig, oder provisorisch wirkt, sondern – so frisch renoviert, wie er ist – fast wie eine Kathedrale wirkt. Auch Ran Huber mit seinen unkonventionellen Bookings ist bereits auf das „Ausland“ aufmerksam geworden und veranstaltet hier demnächt einen Abend. Es scheint, als hätte Berlin auf einen Club wie das „Ausland“ nur gewartet. Auf einen Ort, wo es aufgrund geringer Grundmiete und konsequenter Selbstausbeutung auch in Zukunft genug Platz für Experimente gibt. Und wo alles ein wenig ist wie früher.
ANDREAS HARTMANN
Weitere Veranstaltungen im „Ausland“, Lychenerstr. 60, Prenzlauer Berg: 12. 12. Bandito/Degenerate Art Ensemble; 13. 12. Performance Moneytransfer; 14. 12. Stillupsteypa, 21 Uhr
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