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Vertreibung ins Medienparadies

In Thüringen regt sich Widerstand gegen einen eigenen Sitz des Bundes der Vertriebenen im obersten Gremium der für die Privatsender zuständigen Landesmedienanstalt. Doch der als rechtsorientiert geltende Verband hat treue Freunde in der CDU

aus Dresden MICHAEL BARTSCH

Der Plan stieß bei den Mitgliedern der Versammlung der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) auf „Empörung und Ablehnung“. Der Bund der Vertriebenen (BdV) soll einen gesonderten Sitz im für die Genehmigung und Aufsicht des privaten Rundfunks zuständigen Gremium erhalten. So will es jedenfalls die CDU-Landtagsfraktion. Eine entsprechende Änderung des Thüringer Rundfunkgesetzes ist schon auf dem Weg und wird heute wahrscheinlich den Landtag passieren.

Das wäre wohl alles halb so schlimm, wenn der BdV nicht für eine bestimmte politische Ausrichtung bekannt wäre. DGB, Verbraucherverbände, Jugendverbände, Kriegsopferverbände und andere sprechen in einer gemeinsamen Erklärung von „rechtsorientierten Tendenzen“ im Thüringer BdV. In einem offiziellen TLM-Statement ist diplomatischer von „Verwunderung und Überraschung“ über das Vorhaben die Rede. Kritisiert wird insbesondere, dass die TLM-Versammlung weder unterrichtet noch deren Votum berücksichtigt wurde. Die Rechtslage ist klar: „Gesellschaftlich relevante Gruppen“ können Vertreter in die Versammlung entsenden, dazu können auch Vertriebenenorganisationen gehören.

Der private Rundfunk spielt in Thüringen eine wesentliche Rolle im täglichen Medienangebot. . Anders als zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen gibt es hier wie auch im benachbarten Sachsen eine Vielzahl von kleinen lokalen Fernsehanbietern, die alle unter die Aufsicht der Landesmedienanstalt fallen.

Die Stimmung in Sachen Vertriebenen-Versammlungssitz ist aber auch deshalb besonders empfindlich, weil sich der BdV-Landesverband unter seinem langjährigen Vorsitzenden Paul Latussek als Rechtsaußen einen makabren Namen gemacht hat. Der gebürtige Schlesier und studierte Ingenieur begann seine politische Karriere 1990 als Abgeordneter der „Deutschen Sozialen Union“ DSU in der DDR-Volkskammer.

Sätze wie „Die Krebsgeschwüre der nationalen Verelendung befinden sich mitten unter uns“ brachten ihn und den BdV in Verruf. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Volksverhetzung. Fast genau vor Jahresfrist musste Latussek als Vizepräsident des Bundesverbandes zurücktreten und legte wenig später auch den Landesvorsitz nieder, nachdem Fördergelder für den BdV eingefroren worden waren.

Der Landesverband hat sich allerdings nie öffentlich von ihm distanziert. Erst seit wenigen Tagen wird von den Kreisvorsitzenden ein Ausschluss Latusseks gefordert. Was den BdV allerdings auch nicht von dem Verdacht befreit, sich am rechten Rand der Gesellschaft zu verorten. Steffen Lemme, der für den Landesjugendring in der Versammlung der Medienanstalt sitzt, vermutet daher „eine handstreichartige Rehabilitierungsabsicht in der Aufwertung des BdV“.

Gefährliche Nähe

Das zuständige Kultusministerium bestreitet allerdings, mit seiner Gesetzesnovelle derart Politik machen zu wollen. Im Entwurf sollte der BdV lediglich den Kriegsopfern, Wehrdienstgeschädigten und Sozialrentnern zugeschlagen werden, die einen gemeinsamen Vertreter entsenden, heißt es in Erfurt.

Doch schon diese Absicht hatte bei Medienanstalts-Direktor Victor Henle „Verwunderung“ ausgelöst. Im Medienausschuss des Landtages begründete die CDU nun den eigenständigen Sitz für die Vertriebenen damit, dass deren Bedeutung – anders als in der öffentlichen Meinung – beileibe nicht abnehme: Mit angeblich 60.000 Mitgliedern sei der BdV schließlich die stärkste gesellschaftliche Organisation in ganz Thüringen.

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