: Wahllügen unterm Christbaum
Die CDU will der Republik noch vor Weihnachten den Untersuchungsausschuss zu den „Wahllügen“ bescheren. Die Koalition möchte erst die Verfassungsmäßigkeit des Unterfangens prüfen. Unions-Ankläger Altmaier verspricht hart, aber fair zu sein
aus Berlin CHRISTIAN FÜLLER
Die CDU hat gestern der SPD vorgeworfen, den Untersuchungsausschuss zu den „rot-grünen Wahllügen“ zu verschleppen. Peter Altmaier, der Obmann und Ankläger der Union im Ausschuss, will dafür sorgen, dass noch vor Weihnachten die Wahrheitssuche beginnt. SPD und Grüne wollen zunächst die Verfassungsmäßigkeit des Ausschusses überprüfen. Die SPD-Fraktion signalisierte gestern, dass der Bundestag den Ausschuss frühestens am Freitag vor Weihnachten einsetzen könne. Die erste reguläre Sitzung könnte damit Anfang 2003 stattfinden, mögliche Vernehmungen prominenter Zeugen fänden damit im Januar statt.
Die Strategie der Union besteht darin, zunächst die in ihren Augen verdächtige Ministerriege – Ulla Schmidt, Walter Riester, vor allem aber Hans Eichel – vor den Ausschuss zu holen. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder selbst soll so schnell wie möglich zur finanziellen Situation vor der Wahl vernommen werden. So möge herauskommen, „ob und in welchem Umfange Mitglieder der Bundesregierung … vor der Bundestagswahl am 22. September 2002 falsch oder unvollständig informiert haben“. Die Unionisten vermuten, dass der penible Eichel über die Finanzkrise des Staates Bescheid wusste – sie aber nicht verraten hat, jedenfalls nicht vor der Wahl.
Die Eile der Union hat mit den Landtagswahlen Anfang Februar zu tun. Obmann Altmaier will flugs die Aussagen der Regierungs-Grokopfeten zu Protokoll nehmen – um anschließend deren Beamte zu verhören und so Widersprüche herauszuarbeiten. Es gebe Indizien, so Altmaier, dass die Regierung ihre Informationspflicht verletzt habe.
Für Altmaier war die Rüge für die SPD gestern die erste Gelegenheit, seine Visitenkarte als neuer Obmann der CDU abzugeben. Sein Vorgänger im Spenden-Untersuchungsausschuss, Andreas Schmidt, prägte den Satz, dass „der parlamentarische Untersuchungsausschuss in erster Linie ein politisches Kampfinstrument ist“. Der 42-jährige Saarländer und politische Intellektuelle Altmaier hingegen betont „gewisse Anforderungen an Stil und Niveau“ politischer Arbeit. Altmaier will hart, aber fair sein. Eine erste Kostprobe gab der CDU-Mann gestern ab: Er argumentierte und überzeugte mit zwei wissenschaftlichen Aufsätzen zu Untersuchungsausschüssen – die aus der Feder des SPD-Obmanns im Ausschuss, Dieter Wiefelspütz, stammen.
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