: So fahre ich billig
von KLAUS HILLENBRAND
Mehr Transparenz und günstigere Fahrkarten versprach die Bahn ihren Kunden bei der Vorstellung des neuen Preissystems, das morgen erstmals zur Anwendung kommt. Wird nun alles billiger und unkomplizierter? Bahn-Verbände und die Stiftung Warentest haben nachgewiesen, dass die Reise in Einzelfällen sogar um 65 Prozent teurer wird. Wem glauben? Die taz lichtet das Dickicht der Preisreform.
1. PENDLER sind, glaubt man den Bahn-Kritikern, besonders negativ vom neuen Preissystem betroffen. Tatsächlich ändert sich für die Allermeisten überhaupt nichts, denn sie fahren mit Zeitkarten. Wer allerdings regelmäßig, aber nicht täglich unterwegs ist und/oder Strecken von etwa 100 Kilometern zurücklegen muss, der soll künftig gewaltig draufzahlen. Denn zum einen werden Fahrten unter 180 Kilometern überhaupt teurer, zum anderen bringt die Bahncard künftig nur noch 25 statt bisher 50 Prozent Ermäßigung. Ergebnis: Die Fahrpreise erhöhen sich im Schnitt um rund 30, in Einzelfällen um über 100 Prozent.
WAS TUN? Fahren Sie schneller! Rabatte für Frühbucher gibt es nur für Fernzüge. Wer bisher mit der Regionalbahn unterwegs war, sollte sich umstellen, denn der ICE kann bei frühzeitiger Buchung künftig preiswerter als die Bummelbahn sein. Sieben Tage im Voraus gibt’s 40 Prozent Nachlass, wenn Sie die Rückfahrt eine Woche später gleich mitbuchen – und da pendeln Sie ja sowieso wieder. Zusammen mit der neuen Bahncard (25 Prozent Reduktion) steigt der Fahrpreis dann wenigstens nicht ganz so stark. Allerdings fallen die Kosten für den Fernzug je nach Verbindung höchst unterschiedlich aus – in manchen Fällen lohnt sich das Umsteigen auf den Fernzug nicht. Deshalb sollte jeder „seine“ Verbindung entsprechend überprüfen. Pech haben in jedem Fall diejenigen, die in einer Region wohnen, wo der Fernverkehr eingestellt worden ist. Sie sollten überprüfen, ob sich ein kleiner Umweg zum nächsten ICE oder IC lohnt.
2. EINZELREISENDE AUF LÄNGEREN STRECKEN geben ein wenig weniger Geld aus, weil Fahrten von über 180 Kilometern jetzt preiswerter sind. Da allerdings die Bahncard nur noch die Hälfte wert ist, zahlt der Spontanbucher künftig dennoch drauf. Wer sich frühzeitig (sieben Tage im Voraus) auf einen bestimmten Zug festlegt, kann zwar bis zu 40 Prozent des Reisepreises sparen. Doch zugleich geht er ein hohes Risiko ein: Verpasst er den Zug, ist die Fahrkarte so gut wie wertlos. Denn wer umbuchen will, zahlt nicht nur die Differenz zum Spontanbucher-Preis, sondern auch eine saftige Pauschale von 45 Euro. Zudem gibt’s nur für den 40 Prozent Rabatt, der mindestens übers Wochenende in der Ferne verbleibt, und auch 25 Prozent Ermäßigung (3 Tage im Voraus buchen) kann nur sparen, wer gleich die Rückfahrt fest mitkauft. Wenn sich aber künftig die Hinfahrt wegen einer Betriebsstörung bei der Bahn verzögert, deshalb Termine ins Rutschen kommen und der Zug für die Rückfahrt nicht mehr erreicht wird, bleibt der Kunde auf den Kosten sitzen. Ein Umtausch der Spar-Fahrkarte ist ab dem ersten Geltungstag nicht mehr möglich, und auch vorher werden mindestens 15 Euro fällig.
WAS TUN? Wer seine Reisepläne besonders frühzeitig macht und weiß, dass nur ein Herzinfarkt die Fahrt verhindern würde, fährt bei der Bahn wirklich günstig. Allerdings ist es dann auf manchen Strecken noch preiswerter, gleich ins Flugzeug zu steigen – 19 Euro für ein Flugticket Berlin–Köln sind unschlagbar. Alle anderen müssen mit sich selbst ins Gewissen gehen, wie hoch ihr Risiko ist, dass sich ihre Reisedaten noch einmal ändern. Am sichersten fährt derjenige, der nur einen Tag vorher bucht – das spart immerhin 10 Prozent und gilt auch ohne Rückfahrt-Bindung. Zusammen mit 25 Prozent Bahncard-Ermäßigung und der Preisreduktion auf längeren Strecken steigt der Fahrpreis gegenüber dem alten System nur geringfügig. Achtung! Sind die „Plan& Spar“-Fahrkarten schon ausgebucht, hat er leider Pech gehabt. Das dürfte besonders Fernpendler treffen, die an Freitagen und Sonntagen unterwegs sind.
3. FAMILIEN: Die gute Nachricht: Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren fahren ab sofort umsonst. Die schlechte: Das gilt nur in Begleitung von Mama, Papa, Oma oder Opa. Für Schüler, die mit Tante oder Urgroßmutter unterwegs sind oder gar alleine verreisen, ändert sich nicht so viel: Sie zahlen den halben Fahrpreis. Diese Vergünstigung gibt’s nun drei Jahre länger, weil die Altersgrenze auf 14 Jahre steigt.
WAS TUN? 50 Prozent Ermäßigung für den Partner sind nicht schlecht, wenn auch nicht ganz neu. Großfamilien mit acht Kindern sparen unglaublich. Die Ferienfahrt wird für die noch preiswerter, die auch noch eine Bahncard besitzen. Da deren Preis deutlich gesunken ist (erster Fahrgast 60 Euro, Partner und Kids nur noch je 5 Euro), lohnt sich die Anschaffung rascher als früher. Wichtig: Kinder reisen nur dann umsonst, wenn sie auf der Fahrkarte der Eltern eingetragen sind – das geht nicht mehr im Zug! Aber auch mit Bahncard kann es Kleinfamilien durchaus passieren, dass sich das Ticket gegenüber den bisherigen ICE-Familienpreisen erhöht. Da hilft nur frühzeitiges Buchen.
4. PÄRCHEN UND KLEINGRUPPEN: Ab sofort gibt’s 50 Prozent Ermäßigung für alle Mitreisenden, und das auch, wenn nur die Hinfahrt gemeinsam unternommen wird. Ein Bahncard-Rabatt von 25 Prozent kommt obendrauf. Bisher musste dagegen bei Sparangeboten die komplette Reise zusammen abgefahren werden und eine zusätzliche Ermäßigung durch die alte Bahncard blieb ausgeschlossen.
WAS TUN? Bildet Gruppen! Auch ohne Frühbuchung fährt das spontane Pärchen mit BahnCard auf Fernstrecken fast zum selben Preis wie bisher. Da lohnt es sich, am Fahrkartenschalter den Vordermann zu fragen, wann und wohin denn die Reise gehen soll. Je größer die Gruppe, desto günstiger wird der Preis. Geradezu unverschämt billig verreisen Kleingruppen, deren Teilnehmer eine Bahncard (25 Prozent Ermäßigung) besitzen und die eine Woche vor der Fahrt (40 Prozent Rabatt) ihre Karte kaufen. Verschiedene Angebote im Internet (z.B. www.kartenfuchs.de) führen Einzelreisende zu Gruppen zusammen. Wie weit dieses Sparsystem funktioniert, bleibt allerdings abzuwarten.
5. INTERREGIO-NUTZER: Bis auf wenige Ausnahmen sind die Interregios ab sofort in teurere Intercity-Züge verwandelt.
WAS TUN? Die Alternative Regionalexpress ist zwar preisgünstiger, aber dafür nicht rabattfähig (siehe Pendler). Nur Spontanbucher sparen in diesen Zügen gegenüber dem IC. Alle anderen müssen mehr zahlen.
6. BUMMLER: Spontane Fahrtunterbrechungen sind künftig unmöglich, weil die Fernfahrkarte immer an einen bestimmten Zug gebunden ist. Damit gerät die Bahn gegenüber dem Auto deutlich ins Hintertreffen.
WAS TUN? Ins Auto steigen. Fahrrad fahren. Wandern. Oder mit dem „Schönen Wochenende“ (28 Euro) oder Ländertickets (21 bis 25 Euro) fahren.
7. ALLE BAHNFAHRER: Die Fertigstellung der Neubaustrecke Köln–Frankfurt hat die Preise auf dieser Relation drastisch erhöht – einmal Köln–Frankfurt einfach kostet 51 Euro. Zwar spart die Bahn auf dieser Strecke nun fast eine Stunde Fahrtzeit, dafür aber auch ihren Speisewagen. Der wurde abgeschafft.
WAS TUN? Wer weniger Wert auf Schnelligkeit und mehr auf Komfort und Preis legt, sollte stattdessen die alte Strecke entlang des Rheins nutzen. Wer den Speisewagen schätzt, buche möglichst keinen IC sondern einen Eurocity (EC). Diese grenzüberschreitenden Züge nach Österreich und der Schweiz verfügen in aller Regel weiterhin über ein richtiges Restaurant.
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