: Nebenwirkung: Integration
Eigentlich wollte er nur Dudelfunk machen. Doch der deutsche Privatfunker Werner Felten hat mit dem türkischen Radiosender Metropol FM in Berlin so viel Erfolg, dass er bundesweit senden will
von SASCHA TEGTMEIER
Eigentlich muss sich ein kommerzielles Privatradio nicht der Integration von Ausländern verpflichtet fühlen. Denn die Radiomacher wollen schließlich vor allem Geld verdienen. „Wir dachten zuerst, wir machen türkischen Dudelfunk“, sagt auch Metropol-FM-Gründer und Geschäftsfüher Werner Felten. Doch das Programm der ersten Radiostation in Deutschland, die ausschließlich auf Türkisch sendet, hat ohne Zweifel integrative Nebenwirkungen: Es werden Themen behandelt, die speziell Türken und Türkischstämmige in Deutschland betreffen. Als einziger Sender dieser Art habe man auch eine „journalistische Verantwortung“, sagt Felten.
Seit dreieinhalb Jahren sendet Metropol-FM 24 Stunden täglich aus Berlins Vorzeige-Multikulti-Stadtteil Kreuzberg auf der UKW-Frequenz 94,8 und ist damit erstaunlich erfolgreich: 130.000 Stammhörer hat der Sender laut Infra-Test, das sind 70 Prozent der Türken und Türkischstämmigen in Berlin. Angesichts dieser Zahlen hat der Besitzer, die „Moira Rundfunk GmbH“, das Berliner Projekt bereits nach Ludwigshafen und Mannheim exportiert – dort sendet Metropol seit diesem Jahr in regionalisierter Form. Und auch in Stuttgart, München und mehreren hessischen Städten hat Moira Radiofrequenzen beantragt. Das Unternehmen ist eine Tochterfirma der Medien Union, die sich gerade über die Südwestdeutsche Medien Holding am Süddeutschen Verlag beteiligt hat und eine Reihe von kommerziellen Privatradios besitzt.
Deutsch-türkische Sicht
Die Geld bringende Werbung auf Metropol-FM wird nicht nur von türkischen Einzelhandelsgeschäften und Banken geschaltet, sondern auch von deutschen Unternehmen. Metropol füllt damit und mit seinem Programm offensichtlich eine Marktlücke. „Die Nachfrage nach Chartsendern ist gesättigt“, sagt Felten, der seit Jahrzenten Privatradio macht. Metropol richte sich an die Zweit- und Drittgeneration der Türken in Deutschland, die sich ohnehin in der „deutschen Medienwelt bewegen“, so Felten. Er möchte „Metropol-FM“ damit auch klar zu den ARD abgrenzen, deren noch verbleibende Ausländerprogramme er für nicht mehr zeitgemäß hält. „Die haben recht spät erkannt, dass man nicht mehr für Gastarbeiter aus deren Heimat berichten muss“, sagt Felten.
Nur der Musikmix aus türkischem Pop und dem volkstümlicheren „Arabesk“ – der Dreiviertel des Programms ausmacht – soll den Hörern noch eine „emotionale Heimat“ geben. Die Nachrichten über Lokales, Bundespolitik und Weltgeschehen berichten bewusst aus deutsch-türkischer Perspektive. Für türkische Innenpolitik interessiere sich kaum noch ein Hörer, so Felten.
Das 25-köpfige Metropol-Team behandelt darüber hinaus sprachliche und kulturelle Probleme zwischen Türken und Deutschen – allerdings nicht intellektuell, sondern in Privatfunkmanier. So verlieben sich in der Soap „Ali liebt Monika“ ein typischer Dönerverkäufer und eine Deutsche ineinander, obwohl sie beide die Sprache des anderen nicht sprechen.
Außerdem macht sich der 37-jährige Morning-Man Ali Yigit mit seinem „Telefonspaß“ über Missverständnisse zwischen Deutschen und Türken lustig. Er ruft als Türke bei einer deutschen Frau an, um sie angeblich mit seinem Bruder zu verheiraten. Oder fragt als schlecht türkisch sprechender Deutscher bei einem Dönerladen an, ob sie Winterschlussverkauf haben. Yigit ist als Kind nach Deutschland gekommen und ist wie alle im Sender zweisprachig aufgewachsen, bei Metropol herrscht daher ein Sprachmix. „Worte wie Arbeitsamt und Krankschreiben übersetzt natürlich niemand“, sagt Yigit. In seiner Sendung gibt es den verkörperlichten deutsch-türkischen Sprachzwitter in Form der moderierenden Fantasiefigur „maus-cuk“, ein Mäuschen.
Geschäftsführer Felten, als Einziger deutscher Abstammung, hat extra Türkisch gelernt, um sein eigenes Programm zu verstehen. Es hätte allerdings auch Russisch sein können. Denn das sei mit insgesamt drei Millionen eigentlich die größte fremdsprachige Gruppe in Deutschland, sagt er. Nur hätten die eben kein „eigenes Business“ entwickelt. Und das Geschäft ist schließlich das Herzstück von Privatradios.
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