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Koch-Rezepte für Lügner und Wahlkämpfer

Hessens Ministerpräsident will „Beim Wort genommen“ werden. Zu diesem Zweck hat er jetzt ein Buch herausgebracht

BERLIN taz ■ Wenn Politiker Bücher präsentieren, interessiert meist mehr das Drumherum als der dröge Inhalt. Im Fall von Roland Koch war das gestern anders. Der hessische Ministerpräsident will nämlich laut Buchtitel „Beim Wort genommen“ werden.

Kurz vor der Landtagswahl hat sich Koch von Ex-FAZ-Herausgeber Hugo Müller-Vogg befragen lassen. Ein solches Interview in Buchform schien ihm ungefährlich. Laudator Manfred Bissinger kam es so vor, als habe „ein Ultrakonservativer einen Liberalkonservativen“ interviewt. Die Antworten sind trotzdem spannend. Gleich zu Anfang fragt Müller-Vogg, ob Koch denn glaube, seiner Vorbildfunktion als Politiker gerecht zu werden. „Insgesamt würde ich diesen Anspruch erheben“, sagt Koch. Es könne aber auch vorkommen, „dass man Fehler macht, obwohl man es besser weiß“. Wenige Tage nach Kochs Vergleich potenzieller Vermögensteuerzahler mit Judenstern-Trägern im Dritten Reich muss man doch ein bisschen schmunzeln, wenn Koch über seine „Fehler“ sagt: „Es gibt Dinge, die man sozusagen kalkuliert falsch entscheidet. Und das kann man dann kaum erklären.“

Kurz vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über das Zuwanderungsgesetz darf man sich also einiges vom Wahlkämpfer Koch erwarten. Wer erinnert sich nicht gerne an seine latent ausländerfeindliche Unterschriftenkampagne vor vier Jahren? „Die Debatte um die Zuwanderung“, so Koch, „würde ich jeden Tag wieder führen, sie war richtig und notwendig.“

Widerspruch von Müller-Vogg muss Koch da nicht befürchten. Nur als es um den CDU-Spendenskandal geht, wird der Interviewer frech und hält Koch vor, er habe damals doch gelogen. Kein Problem für Roland Koch: Er habe sich nur „falsch entschieden“, weil er die Öffentlichkeit zunächst nicht über sein Wissen um Schwarzgeldkonten informierte. „Deshalb macht mir dieser Fehler auch keine großen moralischen Probleme.“

Ein Problem könnte der Erfinder des Lügen-Untersuchungsausschusses nur mit Edmund Stoiber bekommen. Bei dessen Wahlkampfbehauptung, es gebe kein Überflugrecht für US-Flugzeuge, sei Stoiber „bis an die Grenzen dessen gegangen, was im bürgerlichen Lager vertretbar ist“, sagt Koch in seinem Buch. Dass Stoiber log, würde Koch nie sagen. Nein, es war sicher nur ein „Fehler“. LUKAS WALLRAFF

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