: „Retten, was zu retten ist“
Auch in Bremen darf laut BVG-Urteil ab Januar nicht zuwanderungsgesetzt werden. Genugtuung bei Innensenator Böse, Scherf geht auf die CDU zu, die Grünen wenden sich gegen Pläne in Berlin. In Niedersachsen wird Migration zum Wahlkampfthema
Die Aushänge für das Ausländeramt waren schon entworfen, zusätzliches Personal aus Innenressort und Stadtamt eingeplant, um den Ansturm zu bewältigen, wenn das Zuwanderungsgesetz Anfang Januar in Kraft getreten wäre. Aber nicht nur, dass das „Chaos“ ausgeblieben ist, macht Bremens Innensenator Kuno Böse (CDU) froh.
Der Stopp des Zuwanderungsgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht (BVG) gestern erzeugte hörbar Genugtuung in der Union – auch beim Christdemokraten von der Weser: „Aus formalen wie inhaltlichen Gründen“ sei die Entscheidung zu begrüßen, sagte Böse. Schließlich habe die Bundesregierung nötige Verordnungen für die Ausländerbehörden viel zu spät vorgelegt. Außerdem könnten nun „bestehende Defizite nachverhandelt“ werden, um „den Zuzug von Ausländern zu drosseln, aber auch einen Weg zu finden, wie diejenigen zu uns kommen können, die wir brauchen.“ Wichtig sei es dabei, auf die „Integrationspflicht“ zu achten. Böse: „Sonst droht eine Parallelgesellschaft hier lebender Ausländer.“
Bürgermeister Henning Scherf (SPD) ging auf die CDU zu: Im Prinzip gebe es ja einen „Konsens mit der Union, dass wir ein Zuwanderungsgesetz wollen.“ Konsens sei auch, die Migration zu steuern. Und: „Zur Steuerung gehört Begrenzung.“ Scherf findet „einen neuen Anlauf wichtig.“ Dabei sehe er „gute Chancen für eine Einigung.“
Böse betonte, es sei Quatsch, dass die Bundesregierung das Gesetz nun unverändert erneut in den Bundestag einbringen wolle. Die Zuwanderung sei „zu wichtig“, um „erneut zum Thema einer ideologischen Auseinandersetzung“ zu werden.
Auch der grüne Innenpolitiker Matthias Güldner ist gegen die Pläne von Rot-Grün in Berlin. Vielmehr plädiert er dafür, unstrittige Teile aus dem Gesetz abzukoppeln und mit den Stimmen der Union durch Bundestag und Bundesrat zu bringen – „zum Beispiel die arbeitsmarktbezogenen Zuwanderungsregeln“. Andere Teile wie das Ausländer- und Flüchtlingsrecht sowie das Punktesystem, das Migranten nach Alter oder Qualifikation einstuft, sollten „je nach Mehrheit nach und nach in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden“ – damit möglichst viel Grünes in den Gesetzen hängen bleibt.
Kompromissbereitschaft deutet hingegen Hermann Kleen, der innenpolitische Sprecher der SPD, an: „Ich bedauere das Urteil natürlich. Aber bei vielen Punkten, die für die CDU aus symbolischen Gründen wichtig sind, kann man schon reden – so beim Thema geschlechtsspezifische Verfolgung.“ Frauen, die in ihren Heimatländern verfolgt würden, könne man wegen der Genfer Flüchtlingskonvention ohnehin nicht ausweisen. Das müsse nicht ins neue Gesetz.
„Wir müssen retten, was zu retten ist“, meinte auch Dagmar Lill, Bremens Ausländerbeauftragte. Wenn CDU-Wünsche in eine Gesetzesnovelle eingebaut würden, „werden wir nicht mehr das Gesetz haben, dass ich mir gewünscht habe“, sagte Lill. Aber auch dann werde es wenigstens „eine bessere Basis für eine zeitgemäße Zuwanderungs- und Integrationspolitik“ geben.
Während die Bremer Koalition auf Einigung setzt, dürfte die Zuwanderung zum Wahlkampf-Thema in Umzu werden. Dafür wollen die niedersächsischen Grünen sorgen. Spitzenkandidatin Rebecca Harms forderte zu einer „sachlichen Debatte“ vor dem 2. Februar auf: „Die CDU neigt dazu, diese Diskussion ausgesprochen hässlich und ausländerfeindlich zu führen.“
Kai Schöneberg
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