piwik no script img

verlierer & gewinner

Tricks oder Theater

Ein Gewinner stand schon fest, ehe das hohe Gericht sich überhaupt erhob, sein Urteil zu verkünden: Johannes Rau. Der Bundespräsident, wie es seine Art ist, hat mit einer Rede im Juni sichergestellt, dass er in jedem Fall auf der Seite der Sieger steht. Einerseits unterschrieb er das Gesetz und verhalf ihm somit zur Gesetzeskraft, andererseits empfahl er die Klärung in Karlsruhe. Merke: Wer früh warnt, steht später stets als weise da.

Die politische Kultur zählt nur bedingt zu den Gewinnern des gestrigen Tages. Tricksen ist verboten, Theaterspielen erlaubt, hat das Verfassungsgericht entschieden. Anders als der Bundespräsident rüffelten die Richter mit keinem Wort die Staatsschauspieler Roland Koch und Peter Müller (beide CDU), die für den inszenierten Protest gegen die Abstimmung in der Länderkammer gesorgt hatten. Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) wurde dagegen für seine Verfahrenstricks fast zum Verfassungsbrecher erklärt.

Zu den seltsamsten Nutznießern der Karlsruher Entscheidung gehört das Modell große Koalition: Obwohl erst die Uneinigkeit der Brandenburger Großkoalitionäre Stolpe (SPD) und Schönbohm (CDU) das Gezerre im Bundesrat verursachte, führt das gestrige Urteil eher zu mehr als zu weniger schwarz-roter Zusammenarbeit. Zumindest in den anstehenden Verhandlungen über ein neues Zuwanderungsgesetz will die Union sich mit der SPD einigen – zu Lasten der Grünen.

Und dann sind da noch die Zuwanderer. Nicht alle von ihnen haben im selben Maße verloren. Von Benachteiligungen bei Zuzug, Aufenthalt und Integrationshilfen sind vor allem Ausländer betroffen. Die deutschstämmigen Aussiedler dagegen profitieren: Für sie hatte das neue Gesetz verschärfte Sprachhürden vorgesehen, die nun vorerst entfallen. PAT

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen