piwik no script img

Leipzigs Wunder-ABM am Ende

Mit dem „Betrieb für Beschäftigungsförderung“ schließt der Traum aller Städte: Teure Sozialhilfeempfänger per ABM in billige Arbeitslose zurückzuverwandeln

DRESDEN taz ■ War das Zufall? Ein gewisser Matthias von Hermanni wurde dieser Tage vom Leipziger Landgericht zu eineinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Hermanni verlor in anderer Sache vor dem Kadi, aber die Verurteilung des ehemaligen Geschäftsführers des Leipziger „Betriebes für Beschäftigungsförderung“ (bfb) steht beispielhaft für den Niedergang des Projekts. Hermannis „bfb“ war ein bundesweit gefeiertes Vorzeigeunternehmen, das Sozialhilfeempfänger eine Wiedereinstiegschance in die Erwerbsarbeit bieten sollte. War. Wie Hermanni scheitert auch das bfb, es wird zum Jahresende eingestellt.

Der Job bei der „bfb“ ging für Stützeempfänger über die herkömmlichen „Hilfen zur Arbeit“ hinaus, weil die Stadt Leipzig unter ihrem Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube (SPD) selbst anstelle privater Träger die Maßnahmen anleitete. 1996 war die bfb, die seit 1991 ein normaler ABM-Stützpunkt war, in einen kommunalen Eigenbetrieb umgewandelt worden. Mit dem CDU-Mitglied Hermanni hatte sie einen Chef und Chefideologen zugleich – und einen guten Bekannten Lehmann-Grubes aus Hannover. Zeitweise bis zu 8.000 Beschäftigte arbeiteten bei 1.500 Mark Nettolohn monatlich in typischen ABM-Gummistiefelbrigaden. Haupttrick dabei: Nach einem Jahr erwarben die Sozialhilfeempfänger einen neuerlichen Anspruch auf Arbeitslosengeld, und die Stadt war sie per „Drehtüreffekt“ los – genau wie die Kosten für sie.

Entsprechend finanzierte sich der Betrieb für Beschäftigungsförderung zu knapp 40 Prozent aus eingesparten Sozialhilfegeldern der Stadt. Der Rest kam vom Arbeitsamt und der EU. Landesarbeitsamtspräsident Alois Streich sah diese „Rückverschiebung“ von Lasten der Dauerarbeitslosigkeit auf die Bundesanstalt für Arbeit nicht gern. Die IHK klagte über die entgangenen öffentlichen Aufträge und indirekte Konkurrenz des städtischen Betriebes. Teile der Gewerkschaften und der PDS wiederum kritisierten den faktischen Arbeitszwang für Sozialhilfeempfänger, die bei Arbeitsverweigerung ihren Leistungsanspruch verloren. Das sächsische Sozialministerium hingegen lobte 1997 den bfb als „empfehlenswertes Beispiel“ einer Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Bis zu 200 Millionen Mark betrug der Jahresumsatz des „ABM-Kombinates“.

Die Misswirtschaftbeim Vorzeigebetrieb

Nun ist der Betrieb eingegangen. Für den Leipziger Wirtschaftsdezernenten Detlef Schubert sind nicht objektive Konstruktionsfehler dafür verantwortlich, sondern das Management. „Aufs Rechnen kommt es an“, weshalb der charismatische Hermanni wohl noch einen zweiten kaufmännischen Experten an der Seite gebraucht hätte. „Solange man aus dem Füllhorn trinken kann, läuft es, aber wenn die Zuschüsse knapper werden, bricht es wie ein Kartenhaus zusammen“, so Schubert. Der Apparat sei aufgebläht gewesen. Man wolle sich nun in kleineren Strukturen ausschließlich den Sozialhilfeempfängern widmen.

Bereits im Herbst 2001 war der bfb in massive Schwierigkeiten geraten, als das Arbeitsamt Zuschüsse kürzte und keine ABM mehr genehmigte. Fehlerhafte Abrechnungen und Verstöße gegen Fördervorschriften stellte die Unternehmensberatung Arthur Andersen damals fest. Leipzig speckte den bfb daraufhin radikal ab. Im Oktober 2002 wurde dessen Auflösung beschlossen, nachdem ein Jahresdefizit von 9,1 Millionen Euro zu decken war.

Exgeschäftsführer Hermanni sieht ganz andere Gründe für das Scheitern. In fulminanten Reden entwarf er während seines einjährigen Prozesses Komplottvorwürfe gegen Staatsanwaltschaft und die Ermittlungsbehörden. „In Wirklichkeit“, so seine These, „sollte ich stürzen, damit der bfb abgewickelt werden kann!“

MICHAEL BARTSCH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen