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Fischsterben vor Fischersterben

EU-Kommissar Fischler scheitert mit seiner Reform an der Lobbypolitik der Fischfangnationen

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

„Liebe Fischerin, lieber Fischer!“ – mit einem offenen Brief hatte Franz Fischler, der für Landwirtschaft und Fischerei zuständige EU-Kommissar, Anfang Dezember noch einmal versucht, die störrische Lobby auf seine Seite zu ziehen. „Jahr für Jahr gehen 8.000 Jobs verloren, und niemand spricht darüber. Wer unter diesen Vorzeichen noch ernsthaft behauptet, es sei im Interesse der Fischer, so weiterzumachen wie bisher und den Aufbau einer ohnehin zu großen Fangflotte mit Millionen an Subventionen zu fördern, streut Ihnen Sand in die Augen und lässt zu, dass zerstört wird, was Sie zum Überleben brauchen: ausreichende Fischbestände.“

Doch die schlichte Botschaft, dass Fischer Fisch zum Fischen brauchen, verhallte ungehört. Nach fünftägigem Verhandlungsmarathon ging das Feilschen am späten Freitagabend mit einem enttäuschenden Kompromiss zu Ende. Warum Fischler das Ergebnis als „historischen Erfolg in der Geschichte der europäischen Fischereipolitik“ begrüßte, bleibt sein Geheimnis. Renate Künast, die gemeinsam mit Schweden gegen das Paket gestimmt hatte, äußerte sich nüchterner: Die Verhandlungen seien in die falsche Richtung gelaufen. „Auf der Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse hat mir das nicht gereicht.“

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen muss Franz Fischler erleben, dass der egoistische Reflex der Regierungen, ihre eigene Klientel zu bedienen, stärker ist als die Bereitschaft zu notwendigen, aber schmerzhaften Einschnitten. Im Agrarsektor muss der seit sieben Jahren amtierende Kommissar gerade zusehen, wie zehn neue Länder an die Fleischtöpfe der EU drängen und den Subventionswahnsinn weitertreiben, den er eigentlich beenden wollte. In der Fischereipolitik musste er in den letzten Tagen erleben, wie seine maßvolle und durchdachte Reform im Interessenpoker der Regierungen zerstückelt wurde.

Von der Substanz dessen, was Fischlers Fachabteilung Ende Mai unter dem Titel „Eine Zukunft für den Fischereisektor der EU“ auf den Tisch legte, ist nämlich nicht viel übrig geblieben. Zwar soll das jährlich wiederkehrende Gefeilsche um Fangmengen tatsächlich durch mehrjährige Bewirtschaftungspläne abgelöst werden. Die Einzelheiten aber sollen erst nächstes Jahr geklärt werden.

Die eigentlich spannende Frage, ob künftig der Zustand der Bestände und wissenschaftliche Gutachten ausschlaggebend für die Quote sind oder weiterhin nationale Eigeninteressen im Vordergrund stehen, bleibt somit weiter offen. Da schmerzliche Einschnitte bei den Fangmengen unvermeidlich sind, ist die nächste Runde im Machtpoker zwischen wütenden Fischern und mahnenden Politikern vorprogrammiert.

Die nahe liegende Forderung, nicht mehr mit EU-Geld immer größere und modernere Schiffe zu bauen und dadurch die Bestände nicht weiter zu schädigen, wird erst nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren umgesetzt. Fischlers Forderung, das Geld in dieser Zeit lieber fürs Abwracken, Umschulungsmaßnahmen und soziale Unterstützung arbeitsloser Fischer auszugeben, ist vom Tisch.

Die Minister einigten sich im Grundsatz darauf, künftig besser zu kontrollieren, ob die jedem Land zugestandenen Fangquoten auch eingehalten werden. Die Staaten sollen besser zusammenarbeiten, und die EU-Kommission soll die nationalen Kontrollen überprüfen können. Wie eine Statistik der EU-Kommission aus dem letzten Jahr zeigt, bestehen unter den Mitgliedstaaten große Unterschiede, was die Gesetzestreue der Fischer und drohende Strafen angeht.

8.139 schwerwiegende Verstöße gegen die gemeinsame Fischereipolitik wurden gemeldet, davon gingen allein 1.000 auf das Konto spanischer Fischer, die keine Fanglizenz vorweisen konnten. Dieses Vergehen ahnden spanische Gerichte ähnlich wie deutsche: mit einer Geldstrafe von durchschnittlich 850 Euro. In Italien sind im gleichen Fall 2.000 Euro fällig, in Frankreich gar 30.000 – kein Wunder, dass dort im ganzen Jahr nur ein Fischer ohne Lizenz geschnappt wurde. Künftig wollen die Mitgliedstaaten EU-weit vergleichbare Strafen einführen.

Das symbolische Kernstück der Reform, die erlaubte Fangmenge für bedrohte Arten drastisch zu senken, scheiterte an den selbst ernannten „Freunden der Fischerei“, den Fischfangnationen Spanien, Frankreich, Portugal, Griechenland, Italien, Irland und Großbritannien. Nur um 45 Prozent wird die Fangmenge bei Kabeljau und Seehecht zurückgefahren. Wissenschaftler hatten ein totales Fangverbot verlangt. Auch Schutzzonen für Laichplätze und Jungfische, wie vor allem Deutschland sie gefordert hatte, wird es nicht geben.

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