DER PAPST WETTERT GEGEN DEN IRAKKRIEG. ERNST NIMMT IHN KAUM EINER: Der Vatikan hat keine Überflugrechte
Der Irakkrieg rückt immer näher. Nur von einem darf US-Präsident Bush kaum Unterstützung erhoffen: von Papst Johannes Paul II. Immer schärfer werden dessen Töne. „Blut am Horizont“ sieht der Papst, er wettert gegen das selbst verliehene Recht der USA auf Präventivkriege, fordert eine Konfliktlösung durch die UNO, spricht demonstrativ mit Gino Strada, dem Afghanistanarzt und Kopf der pazifistischen Bewegung in Italien. Doch das ist, mit Verlaub, als belle ein Hund den Mond an.
Überflugrechte hat der Vatikan nicht zu gewähren, und wie stumpf seine moralischen Waffen sind, weiß Washington nicht erst seit dem Skandal um Päderastenpriester. Schon den Golfkrieg von 1991 traf der Bannstrahl des Papstes folgenlos, und auch das Dauerembargo gegen den Irak wurde vom Chef der Katholiken oft kritisiert. Damit mochte er den einen oder anderen Gläubigen zu pazifistischem und humanitärem Engagement bewegen – nicht aber die Regierungen des christlichen Westens zu einer Änderung ihrer Politik.
Dabei hätte der Papst gerade jetzt gute Karten, wenigstens zu Hause: In Rom regiert eine grundkatholische Koalition. Immer wieder verneigen sich Regierungschef Berlusconi und seine Partner vor der moralischen Autorität des Papstes – bloß nicht bei Krieg und Frieden. Bei Präsern und Privatschulen billigen sie den Katholiken reichlich Gestaltungsmacht zu, bei Bomben und Raketen lassen sie sich in ihrer Bush-Treue höchstens vom britischen Amtskollegen Blair überbieten. Papst à la carte: Der konservative Knochen ist Berlusconi recht und billig, der Friedensprediger dagegen wird einfach im Weihnachtseckchen für Weltfremde abgestellt.
Sind das nun schlechte Katholiken, die in Rom regieren? Oder haben sie bloß bei ihren Lehrmeistern aus der Kurie das Handwerk allzu gut gelernt? Niemand sonst hat jahrhundertelange Übung in der Kunst, das scheinbar Unvereinbare zusammenzuhalten und höchste Werte zu predigen, aber in den schnöden Niederungen der Realität prima zurechtzukommen – „Blut am Horizont“ inklusive. Seine Exkommunizierung jedenfalls muss Berlusconi auch jetzt nicht befürchten. MICHAEL BRAUN
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