: Wohin mit dem Blech?
Wegen des juristischen Hin und Her auf dem Weg zum Dosenpfand ist der Berliner Einzelhandel schlecht vorbereitet. Der Branchenverband rechnet mit großem Klärungsbedarf und sogar Pleiten
von ADRIENNE WOLTERSDORF
Sprecher der Einzelhändler sind nicht gut zu sprechen auf das, was auf sie zukommt. Das Dosenpfand aber kommt nun sicher. Das Bundesverfassungsgericht lehnte gestern einen letzten Eilantrag ab, mit dem der Beginn der Pfandpflicht noch in letzter Minute verhindert werden sollte. Kein Wunder also, dass der Berliner Einzelhandel schlecht aufgestellt ist für das Lieblingsprojekt des grünen Bundesumweltministers Jürgen Trittin. Zwar ist über die Verfassungsbeschwerde an sich noch immer nicht entschieden, doch alles Weitere dazu kommt nun erst nach dem ersten Januar. Ab Donnerstag kommender Woche, dem zweiten, wird also das Jammern in Berlins Tante-Emma-Geschäften, Kiosken und Supermärkten deutlich zu hören sein.
Größtes Problem, so heißt es in der aufgeregten Branche, ist die Frage nach dem Container. Wohin mit der Kiste, in der die leergetrunkenen Dosen und Einwegflaschen gesammelt werden sollen? „Je kleiner und je innerstädtischer der Handelsbetrieb ist, desto gewaltiger ist dieses Problem“, sagt Jan Holzweißig, Umweltreferent beim Berliner Gesamtverband des Einzelhandels, GdE. „Man weiß ja nicht, was zurückkommt.“ Wirklich?, möchte man da fragen.
Immerhin, bekannt ist, dass in der Berliner Innenstadt im Durchschnitt 2,8-mal mehr Pfandflaschen zurückgebracht werden als gekauft wurden. Viele Berliner shoppen also auf der grünen Wiese, bringen aber um die Ecke ihr Leergut zurück.
Das wird ab 2003 nicht mehr möglich sein. Zunächst. Die meisten Berliner Geschäfte werden gegen Vorlage der Kaufquittung nur die Dosen und Flaschen zurücknehmen, die sie auch verkauft haben. Andere, wie zum Beispiel die Reichelt-Märkte, werden beim Kauf pro Dose einen Pfandsticker austeilen, mit dem der Kunde sein Leergut dann in allen Filialen der Handelsgruppe wieder loswird.
Große Handelsketten wie Aldi und Lidl haben schon Überlegungen angestellt, in Berlin gar keine Einweggetränke-Verpackungen mehr zu verkaufen. Besonders unter Pfandzwang geraten nun Energy- und Sportdrinks, Cola, Fanta und insbesondere ausländische Mineralwasser. Weil viele Geschäfte ohnehin zu wenig Platz haben, müssen sie nun so schnell wie möglich eine Lösung für die Sammelcontainer schaffen, notfalls auch auf Verkaufsfläche verzichten. „Das bringt spürbaren Umsatzverlust und Hygieneprobleme“ warnt Holzweißig. Beim GdE rechnen Experten mit bis zu 500 Geschäftskonkursen im Stadtgebiet Berlin. Bei insgesamt 1.500 Einzelhändlern würde dies rund ein Drittel von ihnen in den Ruin treiben.
Dem kleinen Einzelhändler bleibt vorerst nur, die leeren Getränkeverpackungen notfalls eigenhändig zu einer der Berliner Sammelstellen zu fahren (siehe Infokasten). Bis Oktober soll die Übergangsphase mit vielen Fragen und Unklarheiten dauern. Dann soll es Clearingstellen geben, die den Ausgleich ermitteln zwischen Viel-Rücknehmern und Viel-Verkäufern. Bis dahin werden größere Geschäfte auch Rücknahmeautomaten aufgestellt haben – die Bestellungen dafür, so die Lieferanten, laufen sicherlich erst kommende Woche an. Immerhin kostet ein solcher Automat bis zu 15.000 Euro. Und die zuständige Senatsbehörde wird bis dahin sicherlich auch mitteilen können, wie hoch die Strafen für Gesetzesbrecher sind – und: warum Eistee mit Kohlensäure pfandpflichtig ist, Eistee ohne Kohlensäure hingegen nicht.
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