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Arbeiten im Alter800.000 Rentner gehen jobben

Die Zahl der Rentner mit einem Minijob ist in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen: fast 800.000 sind es inzwischen. Ob es an der Altersarmut liegt, ist unklar.

Liegt es an einer finanziellen Notlage? 66-Jähriger Arbeiter bei einem Reifenhersteller. Bild: dpa

MÜNCHEN afp | Immer mehr Rentner in Deutschland arbeiten laut einem Zeitungsbericht auch noch in hohem Alter. Seit dem Jahr 2000 sei die Zahl der Ruheständler mit einem Minijob um knapp 60 Prozent oder rund 280.000 auf etwa 761.000 gestiegen, berichtete die Süddeutsche Zeitung. Unter ihnen waren demnach im Jahr 2011 etwa 120.000 Minijobber, die 75 Jahre und älter sind. Das gehe aus Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der Linken-Bundestagsfraktion hervor, die der Zeitung vorlagen.

Zudem hatten nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit Ende vergangenen Jahres mehr als 150.000 Rentner eine sozialversicherungspflichtige Stelle. Damit hat sich ihre Zahl seit Ende 1999 knapp verdoppelt, wie es in dem Bericht heißt. Mit rund 8000 hatten die meisten dieser Beschäftigten sogar eine Vollzeitstelle.

Viele Rentner wollten arbeiten, weil sie sich noch fit fühlen, sagte Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), zu den Gründen. Untersuchungen zeigten, dass Menschen, die im hohen Alter noch arbeiten, meistens relativ hoch qualifiziert sind. „Das deutet darauf hin, dass die finanzielle Notlage in vielen Fällen eher nicht das Hauptmotiv sein dürfte“, sagte der IW-Experte der SZ.

Dagegen sagte Ulrike Mascher, Vorsitzende des größten deutschen Sozialverbands VdK, dass immer mehr Menschen Probleme hätten, mit ihrem Alterseinkommen auszukommen. „Bei den 120.000 über 75-jährigen Minijobbern wird es sich nicht um Universitätsprofessoren handeln, die gerne länger arbeiten wollen, sondern eher um Rentner, die Zeitung austragen, Supermarktregale einräumen und andere wenig attraktive Jobs ausüben, um ihre karge Rente aufzubessern.“

Laut dem Bericht zeigen die Zahlen der Regierung, dass die Renten zuletzt weitgehend kontinuierlich gesunken sind. Wer im Jahr 2000 erstmalig eine Altersrente bezog und mindestens 35 Jahre gesetzlich rentenversichert war, erhielt demnach im Durchschnitt 1021 Euro im Monat. Bis 2011 sank dieser Betrag auf 953 Euro, wie die Süddeutsche Zeitung weiter schreibt. Noch stärker sei das Minus bei Renten wegen voller Erwerbsminderung: Sie verringerten sich bundesweit im selben Zeitraum von 738 auf 634 Euro.

Das Arbeitsministerium wies dem Bericht zufolge in seiner Antwort darauf hin, dass sinkende Renten nicht gleichbedeutend seien „mit einer rückläufigen Entwicklung des Wohlstands“ der Ruheständler. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass in den vergangenen Jahren andere Einkommensarten wie Mieten, Kapitaleinkünfte oder Betriebsrenten für die Rentner an Bedeutung gewonnen hätten.

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9 Kommentare

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  • W
    Wolfgang

    @ Martin: Dein Fallbeispiel ist nicht die Regel. Dein Beispiel dient nur zur (vorsätzlichen) Bestätigung der (stets noch erfolgreich medial geleugneten) unsozialen und menschenfeindlichen Maßnahmen der bundesdeutschen Wirtschafts-Regierung und Parlamentsmehrheit im Hundtschen BDA-Deutschland.

  • G
    GWalter

    An dieser Misere tragen vor allem die großen Parteien (Einheitsparteien) schuld.

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    Ich erinnere mich noch der markigen Sprüche der Genossen Müntefering und anderer, die so taten, als seien alle Beschäftigten Metaller oder Bergleute und die die Frühverrentung zum Prinzip machten.

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    Und da liefen sie dann auch tatsächlich rum, verkündeten, sie hätten doch nun fast mehr als zur Zeit, in der sie noch gearbeitet hätten.

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    Da wurden ganze Industriebereiche auf Kosten der Sozialkassen saniert.

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    Plötzlich hieß es "Haltet den Dieb", und die Rentner und Pensionäre waren schuld.

    Und wir werden nun mal, was erfreulich ist, alle älter als noch die Generation unserer Großeltern.

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    Was nicht sein kann aber: Dass alte Menschen darben müssen, und davon gibt es immer mehr.

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    Unser Land ist reich, beteiligt sich an Kriegen, die uns eigentlich nichts angehen, und in Deutschland hungern Menschen. Das ist ein Elend und es ist ein politischer Skandal.

  • G
    GWalter

    953 € Durschnittsrente - 2780 € Durschnittspension

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    Während die durchschnittliche Rente auf 953,- € gesunken ist sind gleichzeitig die Beamtenpensionen auf durchschnittlich 2780,- € gestiegen.

    -

    Dieses geradezu absurde Ungleichgewicht wird von der Politik und der Presse immer wieder totgeschwiegen.

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    Eine Vollversorgung gibt es doch, Beamte und Politiker versorgen sich "Voll", ohne eigene Beiträge, nur der ARBEITNEHMER schuftet und lebenslang Beiträge zahlt steht am Ende als Dummer da, ihm auch noch werden die Renten gekürzt!!

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    Genauso wie die jährlichen Kosten für die Pensionen tunlichst verschwiegen werden. Bei derzeit

    1 Million Pensionären und Hinterbliebenen ......

  • M
    martin

    in meinem Bekannten und Familenkreis ist es vielfach folgendes Konstrukt:

     

    Hofeigentümer geht in Rente, Hof wird an Frau / Sohn / Tochter überschrieben und der Alteigentümer wird offiziel als 400 € Kraft eingestellt um für die Berufsgenossenschaft in den Büchern zu stehen. Solche Konstrukte wird es 1000fach in Deutschland geben, da wird von den Linken und den Sozialverbänen wieder eine Scheinbedrohung aufgebaut die natürlich mit einer neuen Sozialleistung zu bekämpfen ist.

  • RS
    Reinhold Schramm

    Nachtrag.

     

    Der Staat betreibt die soziale Deklassierung von älteren Erwerbslosen. Oder: Leyens Jobcenter-Politik durchgeknallt.

     

    Am 2. August erfolgte (m)ein Anruf vom Jobcenter Berin Tempelhof-Schöneberg. Die 'neue' Sachbearbeiterin stellte sich kurz vor (ohne Vornamen) und fragte: 'haben Sie schon ihren Rentenantrag gestellt'. Ich entgegnete: ein vorzeitiger Renteneintritt wäre mit einer dauerhaften Renten-Kürzung verbunden ...

     

    Die 'Neue' forderte mich in Folge energisch auf: "Sie müssen sich um Arbeit bemühen ..."

     

    Ich berichtete ihr von meinen Bemühungen um auskömmlich bezahlte Arbeit und über die schlechten 'Arbeitsangebote' (?) der Arbeitsagentur. Ich nannte ihr ein BA-Angebot als Projektleiter für weniger als mein vormaliges Arbeitslosengeld. Und Arbeitsangebote für weniger als 1/3 des Tariflohnes bzw. unter 30 % wären für mich nicht zu akzeptieren ...

     

    Die 'Jobcenter'-Sachbearbeiterin reagierte: "Die Gesetze verlangen von Ihnen auch solche Tätigkeiten anzunehmen ... Die gesetzlichen Vorschriften und Bestimmungen müssen eingehalten werden ... Was sie (privat) davon halten ist eine andere Sache ..." - Sie meite mit Nachdruck: 'Sie müssen auch für unter 30 % arbeiten ...'

     

    Anmerkung: Auch diese Wahrheit bzw. objektive Realität bei der Bundesarbeitsagentur bzw. den 'JobCenter'n wird weiterhin erfolgreich von der regierenden Politik geleugnet. Das System der 'Sozialen Marktwirtschaft' - der Bourgeoisie und Aktionäre und deren Lobby-Politik - betreibt die Altersverarmung der vormals erwerbstätigen und lohnabhängigen Bevölkerungsmehrheit.

  • L
    Lobo

    Das ist wieder ein Fressen für die Politik! "Seht ihr, die wollen ja arbeiten, bis sie tot umfallen", dann könnten wir das Rentenalter ja ab dem 70sten Lebensjahr einführen. Anstatt sich die Rentner zuammentun und rambule machen, arbeiten sie für das Schmieren- System bis dass es ins Hospiz geht.

  • G
    GWalter

    Warum gehen nicht immer mehr Pensionäre jobben ??

     

    Die Antwort ist eindeutig: Die Pensionäre bekommen im Schnitt 2,5 mal mehr Pension als die Rentner, und dies OHNE JEGLICHE BEITRAGSZAHLUNG !!

     

    Wir leben eindeutig in eine ZWEI-KLASSEN-GESELLSCHAFT!

     

    Während die Rentner in diesem Jahr nur knapp 2 % Erhöhung erhieten (jahrelang zuvor nur knappe 1% oder sogar nichts) sind die Pensionäre imm er an die Erhöhungen des ÖFFENTLICHES DIENSTES gekoppelt und erhalten somit 3,1% in diesem Jahr.

     

    Dieser Skandal schreit zum Himmel und ist auch einmalig in EUROPA, denn in unseren Nachbarländern erhalten alle DIE GLEICHE ALTERSVERSORGUNG !!

     

    Das Ganze ist noch umso skandalöser wenn man weiss, dass seit 1957 bereits insgesamt 700 Milliarden EURO von der Politik aus der Rentenkasse entnommen wurde, um völlig andere Projekte damit zu finanzieren.

     

    Heute erzählt man den Menschen vom angeblich hohen Bundeszuschuss, der noch lange nicht diesen gestohlenen Betrag ausgleicht.

     

    DIE HEUTIGEN UND DIE ZUKÜNFTIGEN RENTNER HABEN ALLEN GRUND DER POLITIK EINE SAFTIGE ABFUHR ZU ERTEILEN !!!!

  • E
    end.the.occupation

    >> Die Zahl der Rentner mit einem Minijob ist in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen: fast 800.000 sind es inzwischen. Ob es an der Altersarmut liegt, ist unklar.

     

    Klar ist, dass die Schuhgrösse des Verfassers der obigen Zeilen dessen IQ deutlich überschreiten muss.

     

    Aber wie schrieb die taz noch anlässlich eines Beinah-Lynchmords jüdischer Jugendlicher an einem Palästinenser in Jerusalem: 'Die Palästinenser fühlen sich nicht willkommen.'

     

    Da ist verwachsen, was zusammen gehört...

  • RS
    Reinhold Schramm

    Deutschland braucht den Mindestlohn von 13-Euro-Std. brutto!

     

    Bei Arbeitslöhnen unter 11 Euro, auch nach mehr als 40-Vollzeit-Arbeitsjahren, liegt die kommende Armuts-Rente auf dem max. Niveau der gesetzlichen Grundsicherung; analog Sozialhilfe bzw. (noch) offenen Hartz-IV-Strafvollzug.

     

    Die Alternative besteht nicht in der weiteren Absenkung aller sozialen Leistungen durch die Bundesregierung und Parlamentsmehrheit, um den deutschen Michel und 'seine' Micheline (Kleinbürger) psychologisch zu befriedigen, sondern in der Erhöhung aller bisherigen Niedriglöhne, und der Abschaffung des Hartz-IV-Strafvollzugs; zugleich in der auskömmlichen Erhöhung aller sozialen Leistungen!

     

    Auch die Finanzierung in der realen deutschen Reichtumsgesellschaft ist möglich. Siehe nur die Regierungs-, Bundestags- und Vorstandsbezüge (einschließlich der DAX-Konzerne); ebenso der Quandtschen Dividenden (- auch ohne persönliche Arbeits-Leistung: für 2010 rund 365 Millionen Euro und für 2011 rund 647 Millionen Euro. Anm.: Auch 'deren' "Steuerzahlungen" sind ein Ergebnis der Arbeitsleistung und realen Wert- und Mehrwertschöpfung der eigentumslosen Mitarbeiter der Firmen und Konzerne)!

     

    Trotz alledem, aufwachen!