Nach Vergewaltigungsfall in Freiburg: Sind Flüchtlinge krimineller?
Die Kriminalstatistik zeigt Flüchtlinge überdurchschnittlich häufig als Tatverdächtige. Kriminologen sehen dafür drei Ursachen.
Flüchtlinge sind in der Kriminalstatistik deutlich überrepräsentiert – vor allem bei Vergewaltigungen und Tötungsdelikten. Das zeigen Zahlen des Bundeskriminalamts. Die allermeisten Flüchtlinge haben aber nichts mit der Polizei zu tun.
Im Jahr 2017 registrierte die Polizei in Deutschland bei 5,6 Millionen Straftaten rund zwei Millionen Tatverdächtige. Rund 8,5 Prozent aller Tatverdächtigen waren Flüchtlinge. Insgesamt leben in Deutschland derzeit aber nur rund 1,6 Millionen Flüchtlinge, das sind zwei Prozent der Bevölkerung. Mit achteinhalb Prozent aller Tatverdächtigen sind sie in der Kriminalstatistik also sichtbar überrepräsentiert.
Überwiegend waren Flüchtlinge in leichte und mittelschwere Delikte verwickelt. Am häufigsten ging es laut BKA um Vermögensstraftaten (vor allem ums Schwarzfahren) mit 29 Prozent, Körperverletzungen mit 24 Prozent, Diebstähle (insbesondere Ladendiebstähle) mit 22 Prozent und Drogendelikte mit 9 Prozent. Erst mit weitem Abstand folgten Sexualdelikte (1,6 Prozent) und Tötungsdelikte (0,14 Prozent), wobei letztere überwiegend im Versuchsstadium blieben.
Allerdings ist bei den schweren Straftaten der Anteil der Flüchtlinge unter den Tatverdächtigen besonders hoch, vor allem bei Tötungsdelikten (14,3 Prozent), bei Raubtaten (15,1 Prozent) und schweren Sexualdelikten wie Vergewaltigungen (15,9 Prozent). Es ist also nicht nur ein Medienphänomen, dass Flüchtlinge bei solchen Verbrechen zumindest als Verdächtige überrepräsentiert sind.
Höhere Bereitschaft zur Anzeige
Kriminologen sehen vor allem drei Gründe für den hohen Anteil der Flüchtlinge in der Kriminalstatistik. Erstens gibt die Statistik nur wieder, was die Polizei auch erfährt. Vor allem bei Sexualdelikten ist das Dunkelfeld hoch, weil Übergriffe von Verwandten, Partnern und Arbeitskollegen oft nicht angezeigt werden. Bei Taten von Flüchtlingen dürfte die Bereitschaft zur Anzeige dagegen deutlich höher sein, insbesondere nach den breit diskutierten Übergriffen in der Kölner Silvesternacht 2015/16.
Zweitens ging schon immer ein Großteil von Gewalt- und Sexualdelikten auf das Konto junger Männer. Diese Gruppe ist unter den Flüchtlingen, die ab 2015 nach Deutschland kamen, relativ stark vertreten.
Drittens nennen Kriminologen soziale und kulturelle Gründe: eigene Gewalterfahrungen im Herkunftsland und auf der Flucht, eine aus der Heimat mitgebrachte Machokultur und fehlende soziale Kontrolle bei alleinreisenden jungen Männern. Hinzu kommt Perspektivlosigkeit, wenn jemand im Asylverfahren abgelehnt wurde und keine Chance auf ein festes Aufenthaltsrecht hat.
Trotz alledem ist das Leben in Deutschland heute ungefährlicher als früher. Die Gewaltkriminalität ging in den letzten zehn Jahren um rund zehn Prozent zurück. Die Zahl der Sexualmorde fiel von 2007 bis 2017 sogar von achtzehn auf acht. Für Menschen, die generell Angst vor Gewalt haben und nicht nur vor Gewalt von Flüchtlingen, ist das eine gute Nachricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Einigung über die Zukunft von VW
Die Sozialpartnerschaft ist vorerst gerettet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen