piwik no script img

Kommentar LeistungsschutzgesetzEin völlig absurdes Gesetz

Meike Laaff
Kommentar von Meike Laaff

Das Leistungsschutzrecht ist beschlossen, Abmahnanwälte können sich freuen. Ihr Geschäft ist nun sicher. Ob der Bundesrat das Gesetz kippen wird?

Nur ein Wort, kein Snippet, Glück gehabt. Nicht vom LSR betroffen. Bild: dpa

D a haben die Presseverleger also nun ihr Leistungsschutzrecht. Ihre Verbände haben Schwarz-Gelb bedrängt, es gab Entwurf um Entwurf – und am Freitag nun verabschiedete der Bundestag ziemlich hektisch einen in letzter Minute nachfrisierten Gesetzestext.

Dieses Leistungsschutzrecht, es sollte einst Hüter des so genannten Qualitätsjournalismus werden. So tönten die Verlage. Schutzschild gegen den großen Ausbeuter – die Suchmaschine Google. Aus dem Bundestag heraus kommt nun aber ein Kompromisschen von einem Gesetz, bei dem so lange nachgebessert wurde, bis kaum etwas davon übrig blieb.

Und das mehr Rechtsunsicherheit schafft, als es eine angebliche Schutzlücke schließt. Glücklich werden die Verleger damit also nicht werden. Geschweige denn ökonomisch befriedigt.

Bild: taz
Meike Laaff

ist Medienredakteurin der taz und Redakteurin im tazzwei-Ressort.

Wenn man an dieser ganzen Posse um das Gesetz überhaupt etwas positiv finden mag, dann wohl, dass die Verleger mit ihrem Versuch, für mangelnden Geschäftssinn auch noch Geld zu bekommen, nicht ohne Weiteres durchgekommen sind. Denn das war der Gedanke dahinter: Statt neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, wollten die Verleger einfach mal die Hand bei jemandem aufhalten, dem es gelungen ist, im Netz ziemlich dicke Werbeeinnahmen zu erzielen.

Die Faulheit der Verleger

Natürlich ist es im Interesse von Journalisten und einer gut informierten Öffentlichkeit, dass Verlage finanziell so ausgestattet sind, dass sie gute Arbeit leisten können. Und natürlich ist es verdammt schwer, Konzepte für Journalismus im Netz zu entwickeln, über die sich ganze Redaktionen finanzieren können.

Nur: Leitet sich daraus ein Recht auf Existenzsicherung ab? Es ist schon eher schlicht, bei dem Laden kassieren zu wollen, der einem inzwischen einen großen Teil der Leser auf die eigenen Internetseiten spült. Und nebenbei ein paar kleinen Internet-Klitschen der Garaus zu machen, die Verlagsinhalte ebenfalls besser auffindbar machen.

Und das Ergebnis? Juristen und Oppositionspolitiker verspotten das verabschiedete Gesetz schon jetzt als „Konjunkturprogramm“ für Rechtsanwälte – einfach weil es sehr viel Interpretations- und Verhandlungsspielraum lässt. Wofür genau wie viel an die Verleger bezahlt werden soll, wer überhaupt als Verleger zählt und wie das zu organisieren sei, lässt das Gesetz weitgehend offen. Ebenso wie die Frage, was eine „angemessene“ Beteiligung der Journalisten, also der Urheber der Texte auf Verlagsseiten, sein könnte.

Den größten Klopper leisteten sich die Koalitionäre aber in dieser Woche. In der größten Not, als selbst führende Schwarzgelbe das Leistungsschutzrecht kritisierten, rangen die Regierungsparteien um einem Kompromiss und fand ihn in einem Halbsatz: „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ sind nun vom Leistungsschutzrecht der Verleger ausgenommen.

Damit torpedieren die Regierungsparteien das eigentliche Kernstück des Leistungsschutzrechtes – denn das Lizensieren und Abkassieren für Snippets, also kleine Textauszüge, mit denen zum Beispiel Suchmaschinen andeuten, was sich hinter den Links ihrer Trefferlisten verbirgt, war das eigentliche Kernstück des Leistungsschutzrechtes. Um das Kopieren ganzer Texte zu regeln, braucht es diese Regelung nämlich nicht – das tut schon heute das Urheberrecht.

Doch der Gesetzgeber drückt sich um eine genaue Definition, wie lang „kleinste Textausschnitte“ sein dürfen, um lizenzfrei zu bleiben. So lang wie ein Anreisser auf Rivva? 250 Zeichen wie die Snippets auf Google News? Oder schon eine markante Überschrift in der URL eines Artikels? Danach kann sich künftig richten, wie viel Erläuterungen Suchmaschinen-Nutzer in Deutschland zu den blanken Links mitgeliefert bekommen. Ob innovative Aggregationsdienste und Startups es sich leisten können, in Deutschland auf den Markt zu kommen oder nicht. Und womit sich Abmahnanwälte demnächst beschäftigen werden.

Besser wäre es gewesen, man hätte auf dieses Gesetz einfach komplett verzichtet. Diese Erkenntnis ist sogar in die Reihen der Koalition eingesickert: gut ein halbes Dutzend aus dem eigenen Lager enthielt sich oder stimmte gegen das Gesetz. Darunter vor allem die Netzpolitiker der Fraktionen.

In Frankreich, wo ebenfalls über die Einführung eines Leistungsschutzrechtes diskutiert wurde, hat man vor wenigen Monaten eine ganz andere Lösung gefunden: Hier organisierte die Regierung einen Deal mit Google: Der Suchmaschinenkonzern willigte ein, einmalig 60 Millionen Euro in einen Fonds einzuzahlen, der Projekte für den digitalen Wandel der französischen Medien unterstützen soll – und unterzeichnete eine nebulös gehaltene Erklärung, laut der er den Verlegern helfen will, durch einige seiner Plattformen mehr Geld zu verdienen.

Gut daran ist ohne Frage, dass man um ein verkorkstes Gesetz wie in Deutschland herumgekommen ist. Allerdings hat es eben auch einen merkwürdigen Beigeschmack, wenn der Suchmaschinenkonzern den Sugar-Daddy für Verlage gibt – denn: Unterstreichen die Verlage ihre Abhängigkeit von Google, auf dessen Service sie nicht verzichten können, nicht nur noch, wenn sie deren Almosen annehmen?

In Deutschland kann man nur hoffen, dass der Bundesrat das Gesetz in den Vermittlungsausschuss verweist. Ganz schlecht stehen die Chancen dafür nicht. Oder irgendwann später einmal die Feuerwehr auch der deutschen Internetgesetzgebung: das Bundesverfassungsgericht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Meike Laaff
tazzwei-Redakteurin
Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • J
    Jörn

    Grund der "Nachbesserung" dieses Unsinngesetzes war die sonstige offensichtliche Verfassungswidrigkeit. Es wäre schlicht ein verfassungswidriger Eingriff gewesen für einzelne Wörter und kleinste Fragmente Lizenzgebühren zu verlangen. Auch jetzt ist das Gesetz eigentlich noch verfassungswidrig. Dank diesem Gummiparagraphen wird aber damit gerechnet, dass das Bundesverfassungsgericht das Gesetz "verfassungskonform auslegt" - d.h. den Paragraph so weit interpretiert, dass das Gesetz nicht mehr verfassungswidrig wäre.

    Damit wurde also nicht das Gesetz im eigentlichen Sinne abgemildert, sondern erst ein Inkrafttreten dieses Unsinns ermöglicht. Ein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz wäre mittels einstweiliger Verfügung gar nicht erst in Kraft getreten. Ein verfassungskonform interpretierbares Gesetz tritt erst einmal in Kraft und wird dann nach ein paar Jahren durch das Bundesverfassungsgericht lediglich einschränkend interpretiert.

  • GG
    Gerd Gooßen

    Google als Anwalt der freien (Netz)welt? Ich lach mich tot.

  • ML
    Minou Lefebre

    Was unter dem Namen „Leistungsschutzrecht“ zirkuliert, schützt keine Leistungen, sondern verlängert im maßgeblich die Ausbeutung der Produzenten dieser Leistungen. Nicht die Verleger haben etwas erbracht, was nun zu „schützen“ wäre. Sie haben sich lediglich fremde Leistungen, sei es die der AutorInnen, oder der Onlineredakteure im Verlag selber, angeeignet, um aus diesen Profit zu schlagen. Während sich also Presseverleger und Suchmaschinenbetreiber um die Anteile am Kuchen fremder Bäcker bekriegen, stehen die UrheberInnen der Arbeit im Schatten der Diskussion. Der Vorwurf der Presseverlage, andere dürften sich nicht an den Leistungen anderer vergreifen, ist eigentlich ein Boomerang. Denn die Verlage tun nichts anderes.

  • C
    College

    Ein lächerlicher, weinerlicher Beitrag. Jedes neue Gesetz dient vor allem den Anwälten, den Gerichten und allen, die damit zu tun haben - das ist systemimmanent. Das war auch natürlich beim Anti-Diskrminierungsgesetz so, das wird bei schärferen Gesetzen zu Lebensmitteln und Banker-Boni genau so sein. Aber das findet die taz ja dann toll.

     

    Man kann mit guten Gründen sowohl für als auch gegen das neue Leitungsschutzrecht sein - dieser Artikel jedoch ist einfach nur kenntnislos und dumm, das ist nur links-grün angemaltes Stammtischniveau, er ist eine Ansammlung oberflächlicher Banalitäten. Bei der taz herrscht offenbar ein akuter Fachkräftemangel. Peinlich.

  • KS
    Karl Sonnenschein

    @bempo

     

    Und was heissen "bempo"?

  • TG
    Thomas Grimberg

    Wir müssen hin zu einem Gesellschaftlichen Plural, und dürfen nicht den "Schritt ins Niemandsland der noch Vergangenheit wagen". Das Ziel muss es sein, das Gesamtökonomisch die Menschen Weltweit in der Zukunft gleich gestellt werden. Also weniger ungerechte Verteilungen, und schwarze Hohllöcher, der Menschlichen Vergänglichkeit. Erst dann hat die Menschheit sich näher im Griff. Die Medien, und der freie Zugang zu ihnen, sollte Zukünftlich einwandfrei geregelt werden! Erst durch die Gefühle, die Logik und dem veranschlagten Kompromiss - durch und mit den Medien - kann sich die Zukunft postulieren. Eine Welt mit verschränkten oder eingeschlossenen Medien, auch unter dem Deckmantel Kapitalismus - ist nicht gut. Denn der Kapitalismus erzeugt auch immer ein Schattenprodukt:Armut(und Ausschluß an der Teilhabe an Informationen und Gefühlen der Zeit ).

  • E
    Evi1M4chine

    Ein weiterer Beweis dafür, dass die Regierung regelmäßig, bewusst, absichtlich und systematisch Volksverrat (strafbar mit 10 Jahren Gefängnis) begeht.

     

    Hier wird dem organisierten Verbrechen ihr kriminelles Modell der künstlichen Verknappung von imaginärem „Eigentum“, welches mit den Naturgesetzen unvereinbar ist, gesetzlich staatlich garantiert.

    Mit vollem Wissen über die systematische Schutzgelderpressung (mittels Anwälten) die das stärken wird.

     

    Und alles nur, weil ein paar ewig Gestrige sich nicht an die Realität anpassen wollen, und nicht zugeben wollen, dass Informationsverarbeitung eine *Dienstleistung* ist, die genau so wie z.B. Handwerker abgerechnet werden muss. Sogar wenn sie *genau* das gegenüber den Autoren und Künstlern offen zugeben und *diese* nur zu gerne so abrechnen… währen sie selber gerne unendlich lang Geld für diese Arbeit anderer hätten.

     

    Wer mir nur eine wertlose Kopie der Information gibt, für die er hart gearbeitet hat… der bekommt auch nur eine wertlose Kopie des Geldes, für das ich hart gearbeitet hab.

    End of story.

  • W
    wegen

    Jetzt soll aber bitte keiner überrascht tun, wenn die Suchmaschinenbetreiber und andere Internet-Dienstleister ihren Stammsitz nach Vanatu oder andere exotische Gefilde verlegen. Denn dann brauchen sie nicht nur keine Steuern mehr an unseren Chaos-Staat bezahlen sondern können dort auch machen was sie wollen. Denn dieses Leistungschutzdingens interessiert in Vanatu wirklich niemanden...

  • P
    p3t3r

    hihi schutzlücke schließen...

  • H
    HamburgerX

    Nach dem Bürokratiemonster "Gleichbehandlungsgesetz" die nächste überflüssige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Anwälte. Der Unterschied: Während ersteres über die EU teilweise erzwungen wurde, ist dieses Gesetz nun noch nicht mal EU-Auftrag.

     

    Kleiner Lichtblick: Im Gegensatz zu rotgrün schafft es schwarz-gelb wenigstens das Gesetz pragmatisch zu entschärfen. Das ist bei den nächsten Bürokratiegesetzen wie Frauenquote & Co. seitens der Opposition ganz sicher nicht zu erwarten.

  • UZ
    und zu

    Wenn man wissen will, wie man in Zukunft Geld mit Journalismus verdienen will, muss man sich ansehen, wo mit ähnlichen Angeboten heute bereits Geld verdient wird, und, in dem Falle, den ich nun nenne, gutes Geld verdient wird.

     

    Und das ist in der Industrie der Fall, die von "Qualitätsmedien" gern entweder belächelt oder verachtet und niedergeschrieben wird:

    Die Spieleindustrie.

    Genauer: Bei den Browserspiele.

     

    Es handelt sich im Grunde um ein ähnliches Angebot, mit anderen, aber nicht wesentlich geringeren Kosten - sogar die "großen" Free-to-Play-Games lassen sich in dieses Gedankenspiel mit einbeziehen.

     

    Und was genau lehren uns diese Spiele? Nicht durch döselige Klickstrecken mit viel Werbung kassiert man ab, sondern durch möglichst geringe Hemmschwellen und durch Freiwilligkeit.

    Micro-Payment auf Zeitungsportalen kann und wird die langfristige Lösung sein müssen. Eine Paywall fixt niemanden an, sie schreckt sogar ab - selbst wenn man sie nur für bestimmte Artikel oder ab dem xten Artikel erhebt.

     

    Die News, die ohnehin frei im Netz zugänglich sind, kann keine Zeitung im Netz verkaufen.

    Abos (kurz- oder langfristig) für werbefreies Surfen und/oder Vollzugang, schnelles Kaufen eines Kommentars per SMS für ein paar Cent, und zwar insbesondere der Kommentare (Meike Laaffs Kommentar zum LSR ist eben nur auf taz.de zu finden und damit monetarisierbar), aber auch weiterführender Recherchen mit Alleinstellungsmerkmalen, ein "politisches digitales Abo" als zusätzliche freiwillige Entlohnung für gute Arbeit, und Sonder-Abos (man bedenke in diesem Falle nur mal die Attraktivität eines Yücel-Abos!) für den freien Zugang zu den Kolumnen einzelner Schreiber (die man anteilig gar den Kolumnisten auszahlen könnte) sind das, wohin sich die digitale Zeitung langfristig entwickeln wird.

     

    Und diese Modelle würden die Zeitungen und die Gesellschaft sogar stärken: Zeitungen müssten Position beziehen und vor allem eigenständige Positionen beziehen, um sich von den Konkurrenten abzusetzen und so Abonnenten zu locken. Kommentare würden pointierter und schärfer - und das würde im Einheitsbrei eines oppositionslosen Parlamentes und des ewigen Gleichklanges der Leitartikler allen zu zugute kommen.

    Die BILD ist schließlich auch deshalb so erfolgreich, weil sie vermeintlich "klare Kante" zeigt.

  • N
    NixMainstream

    Ich hoffe Google sperrt einfach die entsprechenden Verlage (die Geld fordern) aus dem Index. Ich hatte einen Traum ... "Suchergebnisse ohne Mainstream Nachrichten" :)

  • B
    bempo

    Lizenzieren, nicht lizensieren... (wo wir gerade beim Qualitätsjournalismus sind)

  • W
    Wüstenratte

    Das "Gesetz" is ein typisch deutsche Wurstelei!