Widerstand der Netzbewegung: Doch kein Haufen Freaks

Zwei wichtige Gesetze sind gegen den Willen der netzaffinen Bürgerrechtsbewegung verabschiedet worden. Die fragt sich nun: Haben wir versagt?

Netzpolitik ist kompliziert und häufig nicht sehr griffig. Bild: ap

Es ist äußerst deprimierend, innerhalb einer Woche gleich mehrfach politisch in die Fresse zu bekommen. Ein Leistungsschutzrecht für Verleger? Verabschiedet, obwohl am Ende nur noch die dafür waren, die ihr Gesicht wahren mussten.

Smartphone-Bestandsdaten werden künftig an Ermittlungsbehörden weitergeleitet? Angenommen, ohne großen Widerstand. Und so lecken jetzt die deutschen Netzaktivisten ihre Wunden. Was nur haben sie falsch gemacht? Warum konnten sie das nicht verhindern? Haben sie versagt?

Ein ziemlich wütender Sascha Lobo machte den Anfang und schaufelte gleich zentnerweise Asche auf sein Haupt und das der sonstigen „Netzgemeinde“ – ein Begriff, gegen den sich eine inhaltlich häufig recht homogene Gruppe netzpolitisch Aktiver normalerweise entschieden wehrt, den Lobo nun aber reaktivierte, um zu betonen, wie sehr man isoliert und selbstgerecht im eigenen Saft schmort. Viele andere Blogger legten nach – mit Widerspruch, Strategien für die Zukunft und Analysen der eigenen Fehler.

Richtig ist an vielen dieser Posts: Auch dieses Mal hatte die deutsche Netzgemeinde Probleme, zu kommunizieren und zu mobilisieren. Zumindest außerhalb ihrer eigenen engen Kreise. Das Leistungsschutzrecht ist nie von der Generation unserer Eltern diskutiert worden und auch nicht von Anfang 20-Jährigen, die zwar auf Youtube und Tumblr geradezu hyperaktiv sind, aber wenig Lust auf dröges Klein-Klein um Gesetzesvorlagen und Vermittlungsausschüsse haben.

Zehntausende gegen Acta

Ganz anders lief das beim Protest gegen das Acta-Abkommen 2011. Da war es gerade diese Youtube-Generation, die das Acta-Abkommen zu Fall brachte: Zu Zehntausenden demonstrierten sie, mobilisiert vor allem von Youtube-Stars, die das ultrakomplexe Abkommen oft nicht korrekt, aber griffig erklärten.

Das war nicht nur für die Politik eine ziemliche Überraschung, sondern auch für die meist ein bis zwei Jahrzehnte älteren Netzaktivisten, denen jeder Zugang zu diesen Youtubern fehlt. Woran sich bis heute nichts geändert hat.

In der Mythenbildung um das Acta-Aus wird außerdem oft übersehen: Am Ende war es dem Überraschungsmoment zu verdanken, dass das Abkommen tatsächlich kippte. Die Politik hatte einfach nicht mit einem derart massiven Widerstand gerechnet: Acta war ein abstraktes Urheberrechtsabkommen, das auf EU-Ebene verhandelt wurde – dort, wo man ohnehin nicht besonders viel Aufmerksamkeit der Bürger gewohnt ist. In Zukunft wird es schwerer werden, Politiker, aber auch die etablierten Lobbyisten, die sie beraten, derart auf dem falschen Fuß zu erwischen.

Demokratie ist nicht, wenn passiert, was man selbst oder seine eigene kleine Peer-Group für richtig hält – Parteien müssen schon das Gefühl haben, empfindlich große Wählergruppen vor den Kopf zu stoßen, wenn sie etwas Unpopuläres entscheiden.

Das war der Grund, warum die traditionellen Parteien bei dem zwischenzeitlichen Höhenflug der Piratenpartei so nervös wurden und sich selbst Experten und Arbeitskreise für Netzpolitik zulegten. Und das ist auch der Grund, warum diese Netzpolitiker und -arbeitskreise nun, wo die Umfragewerte der Piraten sinken, in den eigenen Parteien wenig zu melden haben, wenn es hart auf hart kommt.

Ungeeignet für den Smalltalk

Eines der Probleme, die bei Netzpolitik immer wieder auftauchen: Sie sind kompliziert – und häufig nicht sehr griffig. Es ist eine ziemliche Verrenkung, ein Thema wie Netzneutralität so leicht verdaulich herunterzubrechen, dass jeder in drei Sätzen versteht, warum deren Einschränkung seine persönliche Freiheit im Netz bedroht.

Eingängige Formeln wie „Herdprämie“ gibt es nicht. Redet man von Netzpolitik, dann geht es immer um diese Wortungetüme, die jeden Smalltalk, jedes Interesse am Thema im Keim ersticken. Wohl auch weil es gesellschaftlich ähnlich akzeptiert ist, keine Ahnung von Netzpolitik oder überhaupt diesem Internet jenseits vom Facebooken zu haben, wie mit seiner Fünf in Mathe in der Schulzeit zu kokettieren.

Es wäre zwar ziemlich simpel, aber auch ziemlich falsch, jede netzpolitische Opposition für wertlos zu erklären, weil sie nicht alles verhindern kann. Immer wieder ist es protestierenden Ad-Hoc-Netzwerken und Netzpolitikverbänden gelungen, Gesetze deutlich zu entschärfen. Der Chaos Computer Club verhinderte mit seinem Dauerposten als Quelle für Sachverständige beim Bundesverfassungsgericht schon manche netzpolitische Katastrophe.

Wie die Netzbewegung galten auch Umweltaktivisten lange als ein Haufen von Freaks und Fachidioten. Dann merkten eine größere Öffentlichkeit und die Politik, dass diese Nerds ein Feld beharken, das irgendwie nicht zu ignorieren ist. Bis zum Atomausstieg hat diese Bewegung ein paar Jahrzehnte und zwei große Katastrophen gebraucht.

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