Kommentar Koalitionsvertrag und Groko: Besser schlecht regieren als gar nicht

Die Groko ist bei vielen unbeliebt. Aber Hauptsache wir haben bald eine Regierung. Es eilt, auch weil wir für 2018 dringend einen Haushalt brauchen.

Horst Seehofer, Angela Merkel und Martin Schulz stehen nebeneinander und lächeln

Die Groko hat viele Kritiker – aber alles ist besser, als noch länger ohne Regierung zu sein Foto: dpa

FDP-Chef Christian Lindner irrte, als er flott behauptete, es sei besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Selbst eine schlechte Regierung ist besser als keine, jedenfalls dann, wenn sie auf demokratischem Wege zustande gekommen ist. Das ist ernüchternd, aber nicht zu ändern. Die Große Koalition mag zu Recht ungeliebt sein. Im Augenblick ist sie dennoch die beste aller schlechten Möglichkeiten.

Besonders deutlich wird das beim Thema Haushalt. Den für 2018 hat das Parlament noch immer nicht verabschiedet. Seitenbemerkung an die Adres­se derjenigen, die eine Minderheitsregierung für charmant halten: Viel Vergnügen bei der Suche nach einer Mehrheit für den Gesamt­etat! Gegenwärtig greifen die Regeln der vorläufigen Haushaltsführung, und sie verbieten neue Programme und Investitionen. Dass dies kein Dauerzustand sein sollte, liegt natürlich auf der Hand – und zwar unabhängig von der jeweiligen politischen Überzeugung.

Wird die Große Koalition, wenn sie denn wirklich zustande kommt, eine schlechte Regierung sein? Das hängt vor allem von den Erwartungen ab, die man an sie knüpft. Zu neuen Ufern wird das Bündnis nicht aufbrechen. Es befriedigt Klientelinteressen von zweien seiner drei Mitglieder, nicht mehr, nicht weniger.

Schön für SPD und CSU, dass die CDU gar keine politischen Wünsche zu haben scheint, die sie verwirklicht sehen möchte. Ihr reicht offenbar das Kanzleramt. Das lässt mehr Raum für Erfolge der anderen. Erstaunlich, wie lange man Politik so betreiben und an der Macht bleiben kann.

Der Umgang mit Geflüchteten bleibt beschämend

Wer keine Lobby hat, bleibt auf der Strecke. Das gilt vor allem, wen wundert’s, für Geflüchtete. Der Umgang mit Menschen, die sich aus Kriegsgebieten hierhergerettet haben, ist und bleibt beschämend, und daran ändert die Tatsache nichts, dass bei dem Thema inzwischen viele die Augen rollen und nichts mehr davon hören wollen.

Gute Gründe, gegen die Große Koalition zu sein, gibt es also genug. Es gibt jedoch auch einiges, was für sie spricht: Sie wird nicht leichtsinnig sein, nicht allzu populistisch – dafür fehlt ihr die Kraft –, aber professionell. Und, ja, vermutlich ziemlich langweilig. Einem Land kann Schlechteres passieren.

Ob das der SPD-Basis allerdings reicht, bleibt abzuwarten. Die sozialdemokratische Führung – wer immer das gerade sein mag – geht ein hohes Risiko ein. Der designierte Außenminister Martin Schulz hat Großes für den Glaubwürdigkeitsverlust von Politikern geleistet. Wenigstens dafür. Das ist übrigens, anders als vielfach kommentiert, nicht allein ein Problem der SPD. Sondern aller Demokraten.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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