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Hamburgs Grüne wollen DebatteReden übers Gefahrengebiet

Die Bürgerschaftsfraktion der Grünen will in der nächsten Parlamentssitzung übers Gefahrengebiet beraten. Kritisiert wird der massive Eingriff in die Grundrechte.

Massive Polzeipräsenz im Hamburger „Gefahrengebiet“. Bild: dpa

HAMBURG afp/taz | Hamburgs Grüne wollen nun auch in der Bürgerschaft auf die Abschaffung des umstrittenen Gefahrengebiets dringen, das nach gewaltsamen Ausschreitungen in der Hansestadt eingerichtet worden war.

Ihre Partei habe einen entsprechenden Beratungsantrag für die nächste Sitzung des Parlaments am 22. und 23. Januar eingereicht, teilte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Antje Möller, am Donnerstag mit. „Jede Ausweisung von Gefahrengebieten ist ein massiver Eingriff in die Bewegungsfreiheit der Menschen, die in dem Quartier leben und damit in die Grundrechte.“ Die zeitlich unbefristete Maßnahme sei „unverhältnismäßig“.

In Hamburg waren Auseinandersetzungen zwischen linken Gruppen und der Polizei in den vergangenen Wochen eskaliert. Kurz vor Weihnachten wurden bei einer Demo für das linke Kulturzentrum Rote Flora und gegen den Umgang der Behörden mit Flüchtlingen 120 Polizisten und 500 Demonstranten verletzt. Am 28. Dezember vermeldete dann die Polizei einen Angriff auf die Davidwache und einen schwer verletzten Polizisten. Unabhängige Recherchen ließen jedoch Zweifel aufkommen, ob der Angriff tatsächlich stattfan und wie es zu der Attacke auf den Polizisten kam.

Dennoch erklärten Innensenator Michael Neumann (SPD) und die Polizei weite Teile der inneren Stadt zu einem sogenannten Gefahrengebiet. Damit erhält die Polizei die Befugnis, Personen auch ohne konkreten Verdacht nach eigenen Ermessen zu kontrollieren. Die Einrichtung solcher Zonen ist eine Besonderheit im Hamburger Landes-Polizeirecht. Üblicherweise werden Gefahrengebiete nur in kleinerem Maßstab etwa bei Demonstrationen oder Fußballspielen eingerichtet.

Die SPD regiert in der Hamburger Bürgerschaft mit einer absoluten Mehrheit. Anträge der Opposition allein haben damit generell kaum Aussicht auf Erfolg.

Die Grünen kritisieren das Gefahrengebiet seit Tagen als „kontraproduktiv“. Ihr Fraktionschef Jens Kerstan erklärte, er habe kein Verständnis für „symbolische Demonstrationen von Härte und Aktionismus durch Innenbehörde und Polizeiführung“. Auch die Bürgerschaftsparteien FDP und Linke kritisierten die Einrichtung des Gefahrengebiets zuletzt scharf.

Schleswig-Holsteins SPD-Landeschef Ralf Stegner rief Polizei und Politik dazu auf, „verhältnismäßig“ zu reagieren. Gegen Gewalt gegen Beamte müsse jedoch mit einer „Null-Toleranz-Strategie“ vorgegangen werden, sagte er dem Hamburger Abendblatt (Donnerstagsausgabe). Eine „Eskalationsrhetorik“, etwa die Forderung nach einer flächendeckenden Einführung von Elektroschockern für Polizisten, sei aber „alles andere als sinnvoll“.

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15 Kommentare

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  • K
    Kopfnuss

    Wieso sind die Grundrechte betroffen, wenn die Polizei präventiv dafür sorgen möchte (Dank an die Polizeibeamten!), dass weitere Gewaltausschreitungen vermieden werden?

    • @Kopfnuss:

      Weil die Polizei ihre Kompetenzen überschreitet, wenn sie:

      a) Demonstrationen gewaltsam verhindert

      b) tatsächliche Gewalttäter unbehellig lässt und stattdessen alle Bürger unter Verdacht stellt.

      c) aufgrund willkürlicher eigener Listen eine politische Zuordnung von Bürgern vornimmt.

      d) verdachtsunabhängige Leibesvisitationen durchführt, die vom Gesetz auch in Gefahrengebieten nicht gedeckt sind.

      e) Im "Gefahrengebiet" willkürliche Ingewahrsamnahmen anstelle von üblichen Festnahmen vornimmt.

       

      Zu den Ingewahrsamnahmen schreibt 'Butter bei die Fische' an anderer Stelle:

      "Die Ingewahrsamnahme hingegen (im Gegensatz zu einer Festnahme) unterliegt komplett der Polizeigewalt. Das heißt, Du bist bereits für "schuldig" befunden (von der Polizei), Du hast kein Recht auf einen Anwalt oder Richter, keine Rechtsmittel, kein Recht auf Entschädigung, etc. Die Maßnahme allein bzw. die Polizeiwillkür macht Dich zum "Straftäter"."

      Man darf bezweifeln, dass so "weitere Gewaltausschreitungen vermieden werden." Ganz im Gegenteil wird hier von der Polizeiführung bewußt an der Gewaltspirale gedreht.

  • HW
    H. Wenn

    Irgendwie kann ich die Polizei ja verstehen. Das ganze Gerät von den Schützenpanzern bis zu den StarWars-Wasserwerfern würde verotten.Auch das Pfefferspray muss ja mal weg..hat schließlich nur begrenztes Haltbarkeitsdatum..und überhaubt, wie sieht es aus, wenn der halbe Fuhrpark das Jahr über in der Kaserne steht. Könnte ja jemand aus der Finanzbehörde für überflüssig halten.

  • Aus gewöhnlich gut unterrichteten Polizeikreisen wurde inzwischen bekannt, dass ein Bekennerschreiben eingegangen sein soll, worin Rotfloristen sich zu dem Anschlag auf Angela Merkel bekennen. Die Kanzlerin hat sich bei diesem Umsturzversuch schwere Kopfverletzungen zugezogen und wird in Zukunft wohl auf ihr Handy verzichten müssen. "Ganz Deutschland ist jetzt fest in der Hand militanter Gewalttäter, hieß es." (siehe auch Foto oben) Helmut Schmidt und Gerhard Schröder äußerten sich sehr besorgt und boten als Lösung ihre guten Kontakte zu allen Demokraten, die man mit der Lupe suchen muss, an. Den Hamburgern wurde schon jetzt geraten, nur noch mit sauberer Unterwäsche aus dem Haus zu gehen.

  • Also ich finds cool - mal so ne richtige Militärdiktatur.

    Kann man auch so mit iphone gut zuschauen und so.

    • @nzuli sana:

      Tut mir Leid, aber das ist so dumm wie pennälerhaft. Fragen Sie mal die Leute, die im Osten gelebt haben, bespitzelt, verhaftet, verhört und weggsperrt wurden. Das ist noch nicht so lange her. Da ist nichts 'cool' dran.

      • @fritz404:

        ich dachte mensch versteht die Ironie.

        Ja so pennälerhaft sind viele Studierende heute.

        • @nzuli sana:

          Stümperhafter Ironieversuch würde ich sagen. Und ja, als wissenschaftlicher Mitarbeiter kann ich das pennälerhafte bei viel zu vielen Studenten nur bestätigen: Da wird sehr viel mit dem iPhone rumgedaddelt, anstatt auch mal die Birne anzustrengen.

          • M
            Me
            @fritz404:

            Volle Zustimmung für Fritz!

          • NE
            Noch ein Mitarbeiter
            @fritz404:

            Na der allerhellste Mitarbeiter scheinen Sie aber auch nicht zu sein, sonst hätte Ihre Birne Ihnen schon längst aufgezeigt, dass bespitzeln, verhaften, verhören und wegsperren schon lange Einzug in unserem Land gehalten hat.

  • KI
    Kein Interesse an Volksbildung

    Richtig. Lieber keine öffentliche Debatte, lieber die schleichende Einführung der Semi-Robocop-Ausstattung. Warum wird immer noch mit Argumenten zu diesem Gefahrengebiet umhergeworfen, wenn doch augenscheinlich die Praxis eines solchen den angeblichen Grundwerten dieses Staates widerspricht? Polizei ist Staat im Staat, ist Polizeistaat, was fehlt denn noch?

  • A
    Anna

    als schönes beispiel für die nicht einhaltung von grundrechten können die grünen ja die geschichte vom alten joschka erzählen.

     

    dieser hatte sein land belogen, damit die nato in ost europa menschen ermorden konnte. die nato hatte sich vorher friedensunwillig und kontraproduktiv verhalten und zu propaganda zwecken videobildmaterial gefälscht, um bessere argumente für krieg zu haben.

    • @Anna:

      "Es wird niemals so viel gelogen, wie vor der Ehe [GroKo], während des Krieges und nach der Jagd."

      (frei nach Otto von Bismarck)

       

      Wenn exponierte Vorkommnisse gravierende Reaktionen zur Folge haben, sind immer Zweifel angebracht.

      • LU
        Langsam und deutlich sprechen!
        @Rainer B.:

        Es ist schon interessant: Da steht dreimal das Kürzel Groko in der zeitung und schon quatschen es viele nach. Sind Sie immer so leicht zu manipulieren, Rainer B.?

        • @Langsam und deutlich sprechen!:

          Als Kind haben Sie dreimal das Wort 'Mama' gehört und schon haben Sie es nachgequatscht. Das nennt man Sprachbildung. Sie können es gern auch Manipulation nennen. Hauptsache ist doch, dass Sie und andere wissen, was gemeint ist - oder?