piwik no script img

Bodo Ramelow über Linke und Religion„Die PDS war toleranter“

Seine Partei sei gegenüber Gläubigen zu intolerant, meint Bodo Ramelow. Deshalb hat er gegen das Bundestagswahlprogramm der Linken gestimmt.

In einer bayrischen Schule wird das Kruzefix entfernt Bild: dpa
Interview von Sebastian Haak

taz: Herr Ramelow, Sie haben auf dem Bundesparteitag im Juni gegen das Wahlprogramm Ihrer Partei gestimmt, weil Ihnen im Wahlprogramm eine Passage zur Religion missfiel.

Bodo Ramelow: Religion ist kein Thema, über das man nachts auf einem Parteitag spricht. Das Thema muss so gründlich behandelt werden wie unsere sozialen Stammthemen.

Was folgt für Sie daraus?

Das war ein Betriebsunfall, der bedauerlich ist. Als ich am nächsten Tag in einer Erklärung meine Entscheidung für mein Nein begründet hatte, bekam ich viel Applaus. Seitdem gibt es in der Linken eine Diskussion, bei der mein Werben für die Bedeutung der Religion auf viel Zustimmung stößt.

Was bedeutet für Sie Religion?

Ich entstamme einer christlichen Familie, evangelische Traditionen sind bei uns zu Hause gelebt worden. Die zweite Ebene ist der öffentliche Raum. Da sage ich: Religion gehört zu Spiritualität, zum geistigen Wesen der Menschheit dazu.

dpa
Im Interview: Bodo Ramelow

57, ist Fraktionsvorsitzender der Linkspartei in Thüringen und seit 2012 im Vorstand der linksparteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung. Er ist bekennender Christ.

Was heißt das konkret?

Jeder kann für sich sagen: Ich glaube an den christlichen Gott, an den islamischen Gott. Oder: Ich glaube an gar nichts, ich will mit all dem Zeug nichts zu tun haben. Diese spirituelle Wahlfreiheit möchte ich ungern verstellt wissen – unabhängig davon, was ich ganz persönlich glaube.

Damit stehen Sie in Ihrer Partei allein da. Keine andere Partei in Deutschland gibt sich so areligiös wie Ihre.

Religion gehört tatsächlich nicht zu unseren Stammthemen. Und wenn es um Religion geht, werden in meiner Partei darunter vielfältige Dinge verstanden, Kritik an der Amtskirche etwa. Es gibt einen Genossen bei uns, der als Arbeitnehmervertreter in einem kirchlichen Sozialbetrieb tätig ist und der sehr präzise Kritik an den dort nur sehr eingeschränkt vorhandenen Mitbestimmungsrechten übt. Darüber diskutieren wir häufig. Aber mit Religiosität und Spiritualität hat das nichts zu tun

Linke und Religion

In ihrem Wahlprogramm bekennt sich die Linkspartei zum „Recht aller Menschen auf ein Bekenntnis zu einer Weltanschauung oder Religion“. Gleichzeitig will sie aber die Militärseelsorge, die Kirchensteuer und den Blasphemieparagrafen im Strafrecht, mit dem die Schmähung von religiösen Bekenntnissen unter Strafe gestellt wird, abschaffen.

Sie fordert: „Schulgebet, Schulgottesdienst und religiöse Symbole wie das Kruzifix sind in staatlichen Schulen zu entfernen“ und „durch kirchliche Arbeitgeber ausgeübte Diskriminierung von Beschäftigten“ ist zu verhindern. (SH)

Wie steht Ihre Partei zur Religion?

Die PDS hatte ein höheres Maß an Toleranz im Umgang mit Christen als die Linkspartei. Durch die Erinnerungen an die Intoleranz der SED-Diktatur auch gegenüber der Kirche hatte sich innerhalb der PDS gleich nach der Wende der Vorsatz durchgesetzt, eine ähnliche Intoleranz nie wieder zuzulassen. Das zog sich wie ein roter Faden durch die PDS-Geschichte. Nicht zufällig befand sich in der ersten linken Bundestagsgruppe unter Gregor Gysi schon ein Pastor, der nicht Mitglied der Partei war.

Wie sehen Gläubige Ihre Partei?

Das Verhältnis war nicht immer einfach. Das habe ich ganz persönlich erfahren: An jenem Sonntag im Jahr 1999, nachdem bekannt wurde, dass ich für die PDS kandidieren werde, blieben in meiner Kirchgemeinde die Plätze auf der Kirchenbank neben mir leer. Da saß ich ganz allein. Das hat sich später geändert, ich habe viel Zustimmung aus meiner Gemeinde erfahren. Aber am Anfang war der Schock in der Gemeinde über meine politische Entscheidung groß.

Warum hat sich die Haltung zur Religion von der PDS zur Linkspartei geändert?

Das hat mit der Antiklerikalität der 68er in der Bundesrepublik zu tun, die vor allem in der Westberliner SPD einen Kristallisationspunkt gefunden hatte. Durch die Eintritte ehemaliger SPD-Mitglieder in die PDS/WASG sind solche Strömungen verstärkt in die Linkspartei vorgedrungen.

Karl Marx soll gesagt haben: „Religion ist Opium für’s Volk“.

So hat Marx den Satz nicht gesagt, sondern: „Religion ist das Opium des Volkes.“ Lenin hat später daraus gemacht: „Opium für’s Volk“. Marx hat gemeint: Das Volk betäubt sich mit Religion, weil die Verhältnisse so schlimm sind, wie sie sind. Lenin meinte: Die Amtskirche betäubt das Volk mit Religion. Das ist eine völlig andere Aussage. Es lohnt sich, Marx’ Text anzuschauen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

41 Kommentare

 / 
  • H
    helmut-wk

    Anscheinend denken viele Kommentatoren bei Religion gleich die beiden großen Kirchen.

     

    Nur gibt es aber viel mehr als das. Es war eine Kirche (die Heilsarmee), die bereits im 19.Jh. volle Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau praktizierte, es waren die Kirchen der Baptisten und Quäker, die in "ihren" Kolonien volle Religonsfreiheit gewährten und nach Gründung der USA dafür sorgten, dass dies dann auch für alle Bundestaaten galt (die humanistischten Autoren der Verfassung hatten den Punkt gar nicht berührt.

     

    Oder nehmen wir den evangelikalen "Gründer" des Roten Kreuzes, Henry Dunant, der der Amtskirche durchaus kritisch gegenüberstand und sich schließlich in deinem Testament ein kirchliches Begräbnis verbat ("Ich bin ein Jünger Christi, sonst nichts").

     

    Auch das ist Religion.

     

    Wer die Religion. Gerade Christen, die weniger auf die Kirche als auf die Bibel hörten, haben sich erfolgreich gegen Sklavenhandel und Sklaverei engagiert, gegen Kinderarbeit, haben Genossenschaften gegründet (als die Linke noch meinte, eine Revolution wär das Mittel, das Massenelend zu beenden) und so weiter.

     

    Religion generell abzulehnen ist in etwa so sinnvoll wie die Linke abzulehnen, weil ja unter Stalin, Mao etc. über 100 Mio. ermordet wurden. Statt solche undifferenzierten Pauschalurteile zu fällen, sollte zwischen verschiedenen Religionen (Konfessioen, Kirchen et.) unterschieden werden. Da hat es schon immer so ne und solche gegeben.

    • @helmut-wk:

      Genaugenommen gibt es die Staatskirchen und die anderen Religionen. Gegen Staatskirchen hab ich was, gegen Religion nicht.

  • @atheistische Mudschahidin hier

    Das Problem lässt sich nicht in Parolen fassen. Wir sind vielleicht nicht Alle religiös, leben aber doch in einer Welt, deren Werte - einschließlich der Menschenrechte - ihre Wurzeln zu einem Gutteil in christlich (nicht unbedingt kirchlich) geprägter Ethik haben. Es war das Christentum, das Werte wie Toleranz und Respekt vor dem Nächsten, gleich wer oder was er auch sei, als Ideal etabliert und letztlich gesellschaftlich durchgesetzt hat - auch wenn sich die Kirchen später schwer taten, diesen Anspruch durchzuhalten. Das muss man einfach mal anerkennen.

     

    Insofern ist es schlicht unmöglich, den religiösen Einfluss aus dem weltlichen Leben zu verbannen und Glauben zur reinen, abseits allen staatlichen Handelns stattfindenden Privatsache zu erklären. Er ist in unserer Mitte und bestimmt unser Denken mit, selbst wenn wir uns gar nicht als gläubig sehen. Religion ist daher ein kulturelles Gut, das vielen Menschen viel bedeutet.

     

    Und als solches darf sie auch vom Staat gefördert werden. Es wird ja auch nicht ernsthaft die Förderung von nichtklerikalen Kulturstätten oder auch wissenschaftlicher Forschung infrage gestellt, nur weil viele Menschen damit nichts anfangen können. Das intolerante Nicht-Wollen religiöser Bezüge im öffentlichen Leben hingegen zeigt eine ähnliche kleingeistige Selbstzufriedenheit wie die, die von Atheisten immer gern an den Kirchen kritisiert wird.

    • @Normalo:

      Das ist wirklich mal ein Kommentar mit Substanz! Bitte mehr davon.

  • S
    Student

    Warum spricht Herr Ramelow nicht mal darüber, wie lange Kirchen noch auf Basis des Nazi-Reichskonkordats mit Milliarden gefüttert werden und Sonderrechte auf Diskriminierung genießen sollen?

     

    Wer sich übrigens ernsthaft damit beschäftigen will, warum unsere bürgerliche Klassengesellschaft einen lieben Gott braucht (und damit auch weiterhin die Ramelows dieser Welt), dem empfehle ich kein "Hörensagen" von Marx und Lenin, sondern deren tatsächliche Lektüre.

    • @Student:

      Pssst ... so manch einer kommt ganz abseits politischer Kategorisierungen zu spirituellen/religiösen Erfahrungen.

  • Religion und Menschenrechte: Die „heiligen Schriften“ wie bspw. die Bibel oder der Koran sind in vielen Passagen unvereinbar mit den Menschenrechten. Das heutige Problem mit Religion beginnt, sobald einige Menschen meinen, auch der Staat mit seinen Gesetzen und die Gesellschaft müssen sich nach der Bibel, den Koran etc. richten und diese heiligen Schriften stünden über den Menschenrechten.

    In den USA wird u.a. Darwin deshalb aus manchen christlichen Schulen immer wieder verbannt. Auch die Scharia in der westlichen Welt einzuführen, halte ich für absurd und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) urteilte zurecht in mehreren Verfahren, dass die Scharia „inkompatibel mit den fundamentalen Prinzipien in der Demokratie“ sei.

    Die Beschneidungsdebatte hat auch gezeigt, dass religiöse Riten immer noch höher bewertet werden als die Menschenrechte.

    Die Kreuzzüge, Pogrome, Hexenverbrennungen und die heilige Inquisition waren auch Resultat von fanatischer Religiosität. Und fanatische Religiosität ist immer noch nicht überwunden. Ich denke nur an die Anti-Homo-Ehe Kampagnen in Frankreich oder die Anti-Aufklärungskampagnen der orthodoxen Kirche in Russland.

    Deshalb ist eine kritische Haltung einer demokratischen und aufgeklärten Partei gegenüber Religion nie verkehrt, solange diese auf den Menschenrechten basiert, die ja auch Religionsfreiheit garantiert.

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @Frederik Nyman:

      Klar, die "religiösen" Riten sind auch nur wettbewerbsbedingt, da gibt es schließlich auch nur die UNWAHRHEIT dieser Welt- und "Werteordnung", im Tanz um den heißen Brei / das goldene Kalb ;-)

    • @Frederik Nyman:

      Dass Steuern erhoben werden und daraus ein Sozialstaat finanziert wird, ist zutiefst (!) mit religiösen Schriften vereinbar.

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @Frederik Nyman:

      Nicht nur "religiöse" Riten, sondern immer wieder die der wettbewerbsbedingten im "Recht des Stärkeren", wie das von den "Piraten" nun populistisch-ausgeschlachtete Thema "Bürgerrechte", werden auch sehr viel höher bewertet, obwohl die Mehrheit der Menschheit von Bürgerrechten auch aussichtslos träumen können.

  • Die Kirche (mit Untergliederungen wie z.B. Caritas) ist der größte Arbeitgeber in Deutschland.

     

    Schade, dass insbesondere auch so viele Menschen mit einem IQ von über 100 sogleich meinen, es würde sie zusätzlich adeln, sich besonders religions- und kirchenkritisch zu äußern.

    • @Viccy:

      Und es ist der Arbeitgeber, bei dem Arbeitnehmer systematisch über den Tisch gezogen werden.

      • @Rainer B.:

        Gibts auch noch eine Begründung? Zumindest angedeutet? ;-)

          • @Rainer B.:

            In dem Artikel geht es orimär um eine (!) Frau, die eine außereheliche Lebenspartnerschaft hat und daher Probleme bekommt.

             

            Ich hab einen Kommentar dazu gelesen, den ich ganz passend fand:

             

            "Wenn ein hohes Tier von Coca Cola auf einmal in der Öffentlichkeit Pepsi trinkt bekommt er auch Probleme. Die Kirche ist eine Marke, die für bestimte Dinge steht und wer diesem Image schadet darf sich nicht wundern wenn das Konsequenzen hat."

             

            oder auch diesen hier

             

            "Die Beschäftigung eines dezidierten Kirchenfeindes im Gemeindezentrum oder eines Neonazis in einem jüdischen Kulturzentrums wäre einer religiösen Gruppe ja wohl nicht zumutbar, oder?"

             

            Soll heißen, jeder Arbeitgeber hat so seine Regeln. Als Bankabgestellter z.B. darf ich nicht im T-Shirt arbeiten und als Polizist darf ich nicht privat koksen oder mich für die npd engagieren.

             

            Mit diesen Regeln sind die meisten Menschen einverstanden, weil sie "zeitgemäß" und "mordern" erscheinen. Die Regeln der Kirche erscheinen das nicht (mehr). Aber vom Prinzip her sind es einfach die jeweiligen "Spielregeln", an die sich ein Arbeitnehmer halten kann - oder auch nicht, wenn er sich woanders Arbeit suchen möchte.

            • @Viccy:

              Lesen Sie den Artikel erstmal durch und nicht nur den ersten Absatz.

  • Auch ich habe mich nach diesem Interview gefragt, was genau Herr Ramelow bemängelt. "Zu geringe Toleranz" ist total schwammig und das Parteiprogramm der Linken wollte ich jetzt nicht durchforsten.

     

    Und SPDler sind teilweise antireligiöser als die Mitglieder der Linkspartei? Das ist aber ziemlich peinlich für Die Linken!

     

    Von den Linken erwarte ich eine klare Ablehnung von Religionen. Es gibt schon genug Parteien, die sich den Lobbyisten aller Religionen vor die Füße werfen. Deswegen sind auch die Grünen für mich gestorben.

  • G
    Gottmagus

    Eigentlich war Opium damals bekannt dafür Hungergefühle unterdrücken zu können, was es für die Unterschicht in verschiedenen Ländern interessant machte. Daher sollte man beim Thema Opium in Zitaten diesem Umstand Rechnung tragen.

     

    Religion hat im Staat nichts zu suchen und auch nichts, was nach Religion ausschaut (der Kommunismus im Ostblock war nichts anderes als eine Ersatzreligion).

     

    Der Gotttesbezug muß fallen, die finanzielle Unterstützung der Religionen muß enden und auch deren Teilhabe bei staatlichen Organisationen. Seien es nun beim Rundfunk, der USK oder anderswo.

     

    Gerade das Christentum disqualifiziert sich als Religion, die sich mit Krieg, Auslöschung unzähliger Kulturen und Religionen, Vandalismus, Völkermord, Zwangsbekehrung und Korruption verbreitete und heute durch die Ausbeutung von Not, Leid und Krankheit verbreitet, als Quelle von wertvollen Gedanken.

  • M
    Mathieu

    Ramelow interpretiert Marx vermutlich ebenso eigensinnig wie Lenin. "Das Volk betäubt sich mit Religion, weil die Verhältnisse so schlimm sind, wie sie sind." Tolle Interpretation. Recht hat er allerdings mit: "Es lohn sich, Marx' Text anzuschauen." Vielleicht sollte er damit direkt einmal anfangen.

  • O
    Oblomow

    "Karl Marx soll gesagt haben"

    Karl Marx soll gesagt haben?

    Gibt es da Zeugen? Sowas hat der gesagt?

     

    Marx hat "sowas" geschrieben - den Sozialdemokraten unter den Tageszeitungen ist das naturgemäss unbekannt. Warum wird Ramelow nicht aus der Partei geworfen? Achso, die Linke ist die Partei der Sozialdemokraten unter den deutschen.

  • H
    hdn

    Toleranz gegenüber Glaubenden? Das ist doch kein Problem dessen sich noch eine Partei annehmen müsste. Bei uns kann jede noch so intolerante Religion den Schutz des Staates beanspruchen und sie muss schon viel auf dem Kerbholz haben, damit sie ihn nicht von allen Seiten bekommt. Aber jedes Bekenntnis zum Atheismus, das nicht als verdruckster Mangel an Glauben daher kommt, wird in unser Gesellschaft schief angesehen. Und deshalb sollte es auch eine politische Kraft geben, die für uns Atheisten Partei ergreift und uns vor Diskriminierung schützt. Und damit hätte die Linke heute ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal unter den Parteien, Herr Ramelow!

  • T
    tzu

    Welche Passage ist es denn nun genau, die Bodo Ramelow missfiel? Von Intoleranz gegenüber religiösen Menschen kann ich im Wahlprogramm nichts finden.

  • D
    D.J.

    Seltsam. Ich würde mir eher den Arm abhacken als "Die Linke" zu wählen, aber die genannten Passagen im Wahlprogramm finde ich völlig in Ordnung (kann komischerweise den Link nicht setzen). Hebt sich angenehm ab von der zunehmenden Klerikalsierung der SPD (Einschleimen bei Islamverbänden) und den Grünen (Nicht-ganz-geschafft-Theologin als Spitzenkandidatin; Unterstützung des Ausbaus des konfessionellen Religionsunterrichts). Freilich tun sich auch bei den "Linken" da oft sehr, sehr seltsame Dinge auf (vor ca. 3 Jahren z.B. Unterstützung des Burkatragens im öff. Dienst mit Publikumsverkehr durch eine hessische "Linke").

    • @D.J.:

      Lassen Sie den Arm dran, dann klappt das mit dem Kreuzchen auch besser.

  • R
    RedHead

    Religion hat Privatsache zu sein, nicht mehr und nicht weniger. Als solche sollte sie einerseits Schutz genießen, etwa die Religionsfreiheit - damit auch die negative Religionsfreiheit. Andererseits gehören sämtliche staatlichen Förderungen für Religion gestrichen und unbeteiligte vor religiösen Eiferern geschützt. Dann muss die Kirche eben den Kirchenzehnt selber bei ihren Lämmern einsammeln gehen und ein Karfreitagstanzverbot ist auch nicht aufrecht zu erhalten.

    • L
      Löwenherz
      @RedHead:

      Na gut, dann können wir die vielen sozialen Einrichtungen der Kirche auch gleich schließen, wenn Religion nur Privatsache ist. Ob es der Gesellschaft in Deutschland dann wohl besser geht?

      • @Löwenherz:

        Die sozialen Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft werden überwiegend aus kommunalen Mitteln finanziert und da rede ich jetzt mal nicht von Kirchensteuern.

        Ein Etikettenschwindel allererster Güte. Die Kirchen sind hierzulande per se die Guten und die anderen dürfen dafür bluten. Dringend korrekturbedürftig!

        Auch wer austritt aus der Kirche darf die Popen mit seinem Steuergeld weiterhin durchfüttern. Die Bischöfe und Kardinäle werden aus dem Steuertopf der Länder bezahlt. Unter 10.000 Euro/Monat geht von denen kaum einer nach Hause.

    • @RedHead:

      Ein Karfreitag ohne Vergnügungsverbot ist kein Karfreitag. Wären die entsprechenden Akteure (LINKE, Piraten, Grüne Jugend) konsequent, müssten sie die Abschaffung der christlichen Feiertage fordern. Aber das traut sich ja keiner - das kostet ja Wählerstimmen!

      Aber irgendwer sollte d9och mal wenigstens mit der Idee rüberkommen, die kirchlichen Namen zu verbieten ... das sind dann alles bloß Feiertage: Frühlingsfeiertag, Frühsommerfeiertag, Mittwinterfeeirtag usw.

      • R
        rtz
        @Jäger Wolfram:

        Warum sollte der Staat ein Vergnügngsverbot für Nichtchristen durchsetzen, die mit dieser religiösen Tradition nichts zu tun haben und damit deren Freiheit einschränken? Soll der Staat im nächsten Schritt auch sicherstellen, dass am Freitag nur Fisch gegessen wird? Ein Freitag ohne Fisch ist nämlich kein Freitag!

  • Tatsächlich geht es hier doch nicht um Toleranz gegenüber Glaubenden, sondern um die Frage, welche Rolle die Religion in der Politik spielt, oder nicht. Da sage ich ganz klar:"Der Glaube ist Privatsache und sollte es unbedingt auch bleiben!" Wir haben hier im Westen seit Bestehen der Bundesrepublik defacto einen Gottesstaat, der aktiv daran mitgearbeitet hat, dass "die Verhältnisse so schlimm sind, wie sie sind." Ob man in Religion nun das "Opium des Volkes", oder "Opium für's Volk" sieht, tut nichts zur Sache. Beides ist gleich richtig, aber wir wollen kein Opium, wir wollen endlich andere Verhältnisse.

    • L
      Löwenherz
      @Rainer B.:

      Verzichten Sie dann bitte auch auf Ihr Weihnachtsgeld und auf den arbeitsfreien Sonntag?

      • @Löwenherz:

        Weihnachtsgeld hab ich seit 15 Jahren nicht mehr bekommen und der arbeitsfreie Sonntag ist und bleibt Gesetz auch ohne die Kirche.

    • J
      JDI
      @Rainer B.:

      Nein. Staat und Kirchen (einschließlich aller als öff.-rechtl. Körperschaften verfasster Religionsgemeinschaften, wie bspw. die israel. Religionsgemeinschaften) stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern erfahren einen gewissen Schutz unseres Staats durch das sog. Staatskirchenrecht. Die Diskriminierungen der NS-Zeit waren ein Grund für die Aufnahme dieser Bestimmungen. Schlicht und ergreifend fassungslos macht mich, dass in Berlin-Friedrichshain Menschen wegen ihrer Religionszugehörigkeit aufgrund eines Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung diskriminiert werden. Eine Verdienstmedaille gibt es bspw. nur noch für Eltern, die ein Spielhaus in einem städtischen Kindergarten in Eigenregie erstellen, nicht bei einem entsprechenden kirchlichen Kindergarten. Verantwortlich für diesen Beschluss, der an dunkelste Zeiten erinnert: Piraten, Grüne, die Linke und die SPD. Toleranz? Fehlanzeige.

      • @JDI:

        Die Kirche als Institution und die Mehrheit ihrer Mitglieder war völlig systemkonform während der NS-Zeit. Priester und Pfarrer haben Waffen gesegnet, dem Krieg das Wort geredet, Exekutionen begleitet und sich am Besitz der deportierten Juden bereichert. Daneben gab es einige wenige herausragende Persönlichkeiten wie z.B. Dietrich Bonhoeffer, die ihrem Glauben gefolgt sind und Widerstand geleistet haben. In der Staatskirche war für diese Leute aber kein Platz mehr.

        Die weitgehenden Sonderrechte, die den Kirchen nach dem Krieg eingeräumt wurden, sind aus meiner Sicht tatsächlich völlig unbegründet und nur aus der schwierigen Nachkriegssituation erklärbar. In der Folge haben die Kirchen daraus für sich ein Recht auf Diskriminierung abgeleitet und rechtsfreie Räume geschaffen. Niemand in diesem Land verstößt mehr gegen das europäische Diskriminierungsverbot, als die Kirchen. Diskriminiert werden insbesondere Frauen und Homosexuelle. Kirchliche Mitarbeiter werden in großem Stil ihrer Arbeitnehmerrechte beraubt. Der Staat belohnt diese Rechtsbrüche mit 25 Millionen Euro pro Tag aus Steuermitteln und da fordern Sie auch noch eine Verdienstmedaille ein - geht's noch?

        Ich habe als Kind - Gott sei Dank - nie einen Kindergarten von innen gesehen. Es gab zwar einen in unserem Dorf, einen kirchlichen, aber für Arbeiterkinder war da kein Platz.

  • A
    Agnostikerin

    Ramelow: "Jeder kann für sich sagen: Ich glaube an den christlichen Gott, an den islamischen Gott. Oder: Ich glaube an gar nichts, ich will mit all dem Zeug nichts zu tun haben. Diese spirituelle Wahlfreiheit möchte ich ungern verstellt wissen – unabhängig davon, was ich ganz persönlich glaube."

    TAZ: "Damit stehen Sie in Ihrer Partei allein da."

     

    Gleichzeitig wird aus dem Wahlprogramm der Linken zitiert: "In ihrem Wahlprogramm bekennt sich die Linkspartei zum „Recht aller Menschen auf ein Bekenntnis zu einer Weltanschauung oder Religion“."

     

    Mir ist das hier viel zu verkürzt dargestellt, wo ist denn dann der Konflikt zwischen Bodo Ramelow und dem Rest der Partei, den Sie oben postulieren? (Und das ist jetzt keine rethorische Frage, ich frage mich das wirklich.)

     

    "Gleichzeitig will sie aber die Militärseelsorge, die Kirchensteuer und den Blasphemieparagrafen im Strafrecht, mit dem die Schmähung von religiösen Bekenntnissen unter Strafe gestellt wird, abschaffen.

    Sie fordert: „Schulgebet, Schulgottesdienst und religiöse Symbole wie das Kruzifix sind in staatlichen Schulen zu entfernen“ und „durch kirchliche Arbeitgeber ausgeübte Diskriminierung von Beschäftigten“ ist zu verhindern."

     

    Ja nun ... das fasse ich unter Trennung von Staat und Kirche zusammen. Mit der Frage, ob jedeR glauben darf, was er oder sie will oder auch nicht will, hat das erst mal nichts zu tun.

  • „Recht aller Menschen auf ein Bekenntnis zu einer Weltanschauung oder Religion“. --> gekauft

     

    Gleichzeitig will sie aber die Militärseelsorge, die Kirchensteuer und den Blasphemieparagrafen im Strafrecht, mit dem die Schmähung von religiösen Bekenntnissen unter Strafe gestellt wird, abschaffen.-->gekauft, warum soll ich als atheistischer Pazifist, welcher immer wieder ungestraft von Kirchenvertretern angepisst wird, meine Steuergelder, bzw. von Steuergeldern bezahlte Angestellte und Beamte, dafür ausgeben lassen, dass Religionen missionieren bzw. Kriege unterstützen dürfen. Sollen Sie doch ihre jeweiligen Sektenmitglieder direkt anbetteln.

    „Schulgebet, Schulgottesdienst und religiöse Symbole wie das Kruzifix sind in staatlichen Schulen zu entfernen“ und „durch kirchliche Arbeitgeber ausgeübte Diskriminierung von Beschäftigten“ ist zu verhindern.--> gekauft was von Steuergeldern bezahlt, hat weltanschaulich neutral zu sein.

     

    Also Herr Ramelow wo liegt das Problem? Das Die Linke Religionen nicht fördern und staatlich unterstützen will stört Sie? Treten Sie in die ÖDP ein.

  • „Recht aller Menschen auf ein Bekenntnis zu einer Weltanschauung oder Religion“. --> gekauft

     

    Gleichzeitig will sie aber die Militärseelsorge, die Kirchensteuer und den Blasphemieparagrafen im Strafrecht, mit dem die Schmähung von religiösen Bekenntnissen unter Strafe gestellt wird, abschaffen.-->gekauft, warum soll ich als atheistischer Pazifist, welcher immer wieder ungestraft von Kirchenvertretern angepisst wird, meine Steuergelder, bzw. von Steuergeldern bezahlte Angestellte und Beamte, dafür ausgeben lassen, dass Religionen missionieren bzw. Kriege unterstützen dürfen. Sollen Sie doch ihre jeweiligen Sektenmitglieder direkt anbetteln.

    „Schulgebet, Schulgottesdienst und religiöse Symbole wie das Kruzifix sind in staatlichen Schulen zu entfernen“ und „durch kirchliche Arbeitgeber ausgeübte Diskriminierung von Beschäftigten“ ist zu verhindern.--> gekauft was von Steuergeldern bezahlt, hat weltanschaulich neutral zu sein.

     

    Also Herr Ramelow wo liegt das Problem? Das Die Linke Religionen nicht fördern und staatlich unterstützen will stört Sie? Treten Sie in die ÖDP ein.

  • S
    Student

    Der Mann hat entweder keine Ahnung von Marx und Lenin und von historischem Materialismus oder er will die Leute - als christlich-spiritueller Kapitalismusfreund - bewusst religiös vernebeln. Ich tippe auf Letzteres.

  • A
    asari

    Rheinischer Merkur an der Spree?

     

    Seit mehr als 100 Jahren kämpft die Linke gegen jede Form der abergläubischen Heilslehre - wann genau hat sich die taz von diesem Kampf verabschiedet und predigt nun die Toleranz gegenüber den Intoleranten? Glaubt die taz wirklich, so neue Leserschichten zu erschließen? Und wann dürfen wir den ersten Scientologen in der taz lesen?

  • S
    Sabine

    Danke, Herr Ramelow. Sie sprechen mir aus der Seele!

  • R
    reblek

    Stimmt, dass Marx den Satz anders gemeint als Lenin ihn umgedreht hat. Aber das ändert nichts daran, dass Religion Privatsache ist und eigentlich, siehe Grundgesetz, auch in Staat und Politik nichts verloren hat. Staat und Religion sind danach nämlich - angeblich - getrennt.

    Mit der Abteilung Überschrift, Vorspann und Bildunterschrift ist es allerdings in der Tat ein Kreuz, also ein Kruzifix: "In einer bayrischen Schule wird das Kruzefix entfernt." Ob es "bayerisch" geschrieben wird, sei mir egal, aber an dem "Kruzefix" sollen die Herrschaften gerne eine Weil schwer zu tragen haben.