Folter in der Kirche: Hirten, Lämmer und die Schlachtbank
Der Vatikan muss sich wieder wegen sexuellen Missbrauchs vor den Vereinten Nationen verantworten. Sie kritisieren seine Reaktion auf die Anti-Folter-Konvention.
GENF ap | Der Vatikan muss sich zum zweiten Mal binnen weniger Monate vor einem Ausschuss der Vereinten Nationen für seine Reaktion auf den sexuellen Missbrauch von Kindern durch Geistliche rechtfertigen. Die Menschenrechtsanwältin Katherine Gallagher sagte am Montag in Genf, das Anti-Folter-Komitee der UN habe klar gemacht, dass sexuelle Gewalt und Vergewaltigung unter die Definition von Folter fallen. Der Heilige Stuhl aber habe sich 2002 verpflichtet, gegen Folter vorzugehen.
Vertreter des Vatikan erschienen am Montag erstmals vor dem Komitee für die UN-Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder entwürdigende Behandlung oder Bestrafung. Im Januar waren sie bereits vor dem UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes befragt worden.
Eine der Fragen am Montag lautete, wieso der Heilige Stuhl den Bericht über die Umsetzung der Anti-Folter-Konvention erst mit fast einem Jahrzehnt Verspätung vorgelegt habe. Eine andere, warum der Vatikan glaube, er sei rechtlich nur für den Schutz vor Folter in der Vatikan-Stadt verantwortlich - dem kleinsten Staat der Welt mit weniger als 1000 Einwohnern - nicht aber in der Weltkirche. Das war eine der Argumentationslinien des Vatikan bei der Anhörung im Januar gewesen.
„Ich bin gespannt, ob Sie uns sagen können, wie sie sicherstellen, dass der strafrechtliche Schutz vor Folter in der Vatikan-Stadt alle Menschen betrifft über die der Heilige Stuhl Rechtsgewalt hat“, fragte Komitee-Mitglied Felice Gear.
Die Fragen sollten am Dienstag beantwortet werden. Der Vatikangesandte Silvano Tomasi versicherte jedoch bereits am Montag, der Heilige Stuhl gehe die weltweiten Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche entschlossen an. „In nachweisbaren Bereichen gibt es eine Stabilisierung und sogar einen Rückgang der Pädophiliefälle“, sagte er.
Sollte das Komitee den systematischen Missbrauch von Zehntausenden Kindern durch Priester als Folter einstufen, könnte nach Ansicht von Experten eine Prozesslawine auf die katholische Kirche zurollen. Gallagher sagte: „Das wäre eine neue Stufe von Anklage und Haftung.“ Bei Folter gebe es keine Verjährung. Das Anti-Folter-Komitee wird seine Empfehlungen am 23. Mai aussprechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod