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Debütalbum von Punkband aus KinshasaMusik aus Müll

Kin’Gongolo Kiniata aus dem Kongo verbinden Rumba mit Punk und spielen auf selbstgebauten Instrumenten. Ihr Debütalbum „Kiniata“ ist ein Ereignis.

Punk's not dead: Kin'Gongolo Kiniata aus Kinshasa Foto: Ballantyne Communications

Berlin taz | Eine Konservendose bekommt neues Leben als Reibetrommel eingehaucht, Plastikflaschen werden als Schlagwerk zweckentfremdet und ein alter Röhrenfernseher dient als Bass­drum. Der Bass besitzt nur zwei Saiten, die Gitarre gerade mal eine: Das Equipment der kongolesischen Band Kin’Gongolo Kiniata besteht zum Teil aus weggeworfenen Gegenständen und sind in echter Do-it-yourself-Manier selbst hergestellt.

Gegründet 2019 von den fünf Musikern Bebe Mingé, Leebruno, Mille Baguettes, Ducap und Djino ist mit „Kiniata“ nun das Debütalbum der Band aus der Hauptstadt Kinshasa erschienen, die Elemente von Rumba und Punk in ihrem Sound spielerisch vereint.

In der Wahl der Instrumente des Quintetts spiegelt sich die Situation in der 16-Millionen-Metrople wider. In den letzten Jahren sorgte die prekäre Verschmutzung auch in der Hauptstadt der rohstoffreichen Demokratischen Republik Kongo immer wieder für Schlagzeilen. Im ganzen Land fehlt es an Müllkippen, so dass etwa Plastikflaschen achtlos weggeschmissen werden.

Importiert auch aus China

Auf Straßen, Plätzen und in Gewässern türmen sich die Abfälle – mit dramatischen Folgen für die Gesundheit der Menschen und für die Natur. Dazu kommt der importierte Wohlstandsmüll aus dem Globalen Norden und aus China, der die Müllentsorgung zusätzlich verschärft. Auch andere Mu­si­ke­r*in­nen in Kinshasa haben den herumliegenden Abfall bereits als Werkstoff entdeckt. So benutzt das Kollektiv Fulu Miziki, dessen programmatischer Bandname sich mit Musik aus Müll übersetzen lässt, ebenfalls Instrumente aus recyceltem Material.

Das Afropunkalbum

Kin’Gongolo Kiniata: „Kiniata“ (Helico Music/Broken Silence)

Der Bandname Kin’Gongolo Kiniata wiederum bedeutet in der Sprache Lingala „Der knirschende Krach“. Er stammt aus dem Alltag in der Demokratischen Republik Kongo in den nuller Jahren. als die Infrastruktur des Landes nach den Kriegen fast vollständig zerstört war. Während regelmäßigen Stromausfällen zogen Ölhändler nachts durch die Straßen, deren Metallbehälter ein klirrendes Geräusch erzeugten, ein Klang, der Hoffnung auf Licht in der Dunkelheit repräsentiert. Zugleich beschreibt diese metallische Wucht den Sound von Kin’Gongolo Kiniata ziemlich genau.

Sirrendes Heulen

Durch intensives Proben und zahlreiche Auftritte sind die Musiker von Kin’Gongolo Kiniata zu einer druckvollen und kompakten Einheit verschmolzen. Jeder Ton in den auf das wesentliche reduzierten elf Stücken sitzt fest an seinem Platz. Beim Eröffnungslied „Toye Mabe“ (Herzlich Willkommen) grüßt zu Beginn ein sirrender Heulschlauch, bevor Bass und Schlagzeug sich zu einem majestätischen Beat erheben.

„Moto“ (Feuer) wird von einer kurzen schneidenen Gitarrenlinie und einer abgehackten, blechernen Rhythmik angetriebenen. Der eigentliche Kristallisationspunkt der Stücke wird jedoch vom Gesang erzeugt. Da jedes Bandmitglied auch singt, verfügt Kin’Gongolo Kiniata über eine große Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten von tiefem, martialischem Brüllen bis zu gefühlvollen, mehrstimmigen Harmonien, wie sie etwa beim Liebeslied „Lisekite“ angestimmt werden. Und das Titelstück „Kingongolo“ beweist, das die Gruppe auch eingängige Refrains im Repertoire hat.

Das Können von Kin’Gongolo Kiniata kulminiert schließlich in „Toko Lemba Te“, in dem die fünf Musiker die Missstände in ihrer Heimat zwischen Krieg, Umweltverschmutzung und wirtschaftlicher Ausbeutung anprangern und sich eindeutig gegen Gewalt und für Zusammenhalt aussprechen: „Du und ich, wir werden uns nicht wegen des Reichtums im Kongo töten.“ Eine Hymne für eine friedliche Zukunft, die Geg­ne­r*in­nen im Tanz vereint.

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1 Kommentar

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  • Geiles Album. Aus dem Kongo kommt herrlich abgedrehte Musik.