zwischen den rillen: Humor von zwei Seiten des Teiches: Neues von Ween und Clinic
BLOSS NICHT BEATLES SEIN
Eine Band, die schon immer mit ausstaffierter Ambivalenz wucherte und ihren Verweisbaukasten unübersichtlich hielt, sind Ween. Vor zehn Jahren haben sie damit begonnen so zu tun, als wären sie Totalbeknackte, denen nach exzessivem Drogenmischkonsum so ganz nebenbei begnadete Popsongs auf das Vierspur-Aufnahmegerät geraten würden. Dazu packten Ween Texte voller Fäkal- und Jungshumor, um die ganze Sache mit dem begnadeten Songwritertum niemals zur nüchternen Suche nach dem perfekten Popsong gerinnen zu lassen.
Bei „White Pepper“, dem inzwischen siebten Studioalbum der Band, erinnert nun allein schon der Titel an eine Verwurschtung des „Weißen Albums“. Und tatsächlich versuchen Ween hier dasselbe wie die Beatles damals: ein möglichst breites Spektrum der Popmusik insgesamt auszubreiten und nochmals das eigene Schaffen zu rekapitulieren. Auf einen spackigen Fake-Metal-Song folgt eine instrumentale Space-Ballade, es gibt Country-Versatzstücke und natürlich wieder jede Menge potenzielle Hits mit viel zu vielen Einfällen pro Minute. Allerdings ist alles leicht goutierbar, sauber produziert und so trotz der hohen Dichte an Gimmicks – gemessen am eigenen Gesamtwerk – eine Mainstream-Pop-Platte, die ein wenig zu durchschaubar ein Kleid aus Pop-Bruchstücken strickt. Diesmal wollten Ween es endgültig wissen und scheitern dabei erstaunlicherweise nicht daran, zu viel an Pop-Historie verwalten zu wollen, sondern vor allem daran, ein zu klassisches Ween-Album mit den eingeführten Mitteln gemacht zu haben.
Mit den Beatles als Referenz möchten Clinic im Gegensatz zu Ween nichts zu tun haben. Und das nicht obwohl, sondern weil sie aus Liverpool kommen. Schließlich wollen sie um jeden Preis dem Beatles- und Britpop-Zwang in ihrer Heimatstadt entfliehen. Dazu wenden sie einen Trick an. Sie bedienen sich bei allem, was nicht englisch klingt. Ein wenig Kraftwerk und Can ist dabei. Doch vor allem haben sie mit „Internal Wrangler“ einen Bastard aus amerikanischer Pop-Musik gezüchtet, der von Delta-Blues über Velvet Underground bis hin zu amerikanischem Punk, New Wave und No Wave alles aufgesaugt hat, was trasht und rockt. Wo Ween meist versuchen, durch ein Zuviel an wohlklingen Referenzen das Format Song zu zerbröseln, bauen Clinic durch bereits kaputten Rock und Unreinheiten ihre Stücke erst zusammen. Wenn es rumpelt und kracht, ist es am schönsten. Dabei werden die Bezüge zu amerikanischer Musik überdeutlich codiert. Also her mit Mundharmonika, Garagenrock und B-Movie-Voodoo. Außerdem wird Punk als amerikanisches Kulturgut zitiert – Jonathan Richman und Suicide ja, The Clash und die Sex Pistols nein –, um damit den amerikanischen gegen den englischen Punk-Mythos auszuspielen.
Clinic betrachten ihr Konzept beim Kampf gegen die Borniertheiten von Britpop glücklicherweise nie als starre Formel. Sie vertrashkunsten sich selbst zu Chirurgen, treten auf Konzerten mit Arztkitteln auf und tragen auf einem Promo-Foto Mundschützer zu den legendären Sgt.-Pepper-Uniformen. Bedient wird sich, wo es gefällt, und immer mit dem nötigen Humor, um sich selbst im Kulturkampf nicht allzu ernst zu nehmen.
Um dem reinen Zitieren zu entkommen, um mehr zu sein als eine Revival-Band, verdichten Clinic ihren gesammelten Fundus zu einem schwer entwirrbaren Knäuel. Die 60’s zerbröseln die 80’s, diese mampfen die 70’s, und die Postmoderne hält alles zusammen. Vielleicht musste eine Band aus Liverpool kommen, um mit einem Blick von außen ein obsessives, liebevolles und Mythologie beschwörendes Panoptikum amerikanischer Pop-Musik zu zeichnen, das Velvet Underground und nicht die Beatles zur wichtigsten Band aller Zeiten erklärt.
ANDREAS HARTMANN
Ween: „White Pepper“ (Mushroom/Zomba); Clinic: „Internal Wrangler“ (Domino/Zomba)
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