zwischen den rillen: Letztgültig: Kylie Minogue ist im Eurodance-Pop angekommen
Deine Disco braucht dich
Kylie Minogue ist berühmt. So berühmt, dass ihre Plattenfirma sie in einem Anflug von Größenwahn sogar für eine der größten Popikonen unserer Zeit hält, gleich neben Madonna. So glamourös, dass Nigel Kennedy eine seiner Geigen nach ihr benannt haben soll. Und sowohl Nick Cave als auch Elton John, sowohl Julie Burchill als auch Irvine Welch haben sich bei unterschiedlichen Gelegenheiten als Fans zu erkennen gegeben. Kylie Minogue ist so berühmt, dass man sich mitunter fragt: Warum eigentlich? Denn an den Großteil ihrer Hits mag man sich nur mit einem gewissen Unbehagen erinnern.
Jetzt, 13 Jahre nach ihrem Debüt mit „I should be so lucky“, hat Kylie Minogue wieder einen Nummer-eins-Hit: „Spinning Around“. Mit „Light Years“ gibt es auch ein neues Album, und einen kleinen Skandal gibt es auch, um ihr Duett mit Robbie Williams. Darf der über Analsex singen? „Press be asking do I care for sodomy / I don’t know /Yeah, probably“, heißt es in dem Stück, das auch noch „Kids“ heißt. Er darf, sie nicht. Auf seinem Album erscheint „Kids“ in voller Länge, auf ihrem wird vor der umstrittenen Stelle ausgeblendet. Sich auf jugendfrei zensieren zu lassen – das wäre Madonna nicht passiert. Aber Kylie Minogue ist auch nicht dafür bekannt, jederzeit die volle Kontrolle über ihren künstlerischen Output zu haben.
Und niemand käme auf die Idee, das neue Kylie Minogue-Album auf seine gesellschaftliche Bedeutung abzuklopfen, wie das bei Madonna stets unvermeidlich zu sein scheint. Kylie kann sich für das Booklet von „Light Years“ als Spätsiebziger-Softsex-Modell räkeln, ohne dass das mehr zu bedeuten hat, als dass sie es so wollte: charmant, verspielt, chaotisch. Sie kann im Abstand von ein paar Jahren ein Duett mit Jason Donovan einspielen und eines mit Nick Cave folgen lassen und dabei den Eindruck erwecken, die Wahl ihrer Duett-Partner folge einer strategischen Überlegung. Dabei sieht es viel eher nach Laune aus – als wolle sie sagen, so ernst sei das jetzt auch nicht gewesen, sie habe das mal ausprobiert und außerdem sei Nick Cave ja ganz nett und würde gar keine Frauen umbringen, um sie dann in einem Teich mit Rosen zu bestreuen. Kylie Minogue ist einfach da, blickt vom Magazincover und ist das Mädchen der Nachbarn, das durch den Image-Themenpark stromert, sich hier mal was sucht und da mal was, und wenn es sie langweilt, kommt es in den Schrank.
Die morbide Independent-Welt, in die sie in den letzten Jahren hineingeschnuppert hat, scheint sie jedenfalls mächtig gelangweilt zu haben. Seit sie mit den Pet Shop Boys zusammengearbeitet hat und auch bei deren Plattenfirma ist, hat es ihr groß angelegter Euro-Disco-Pop angetan. „Light Years“ hört sich an, als hätten sich die Geschwister der Pet Shop Boys mit einem Cousin von Barry White zusammengetan, um endlich das letztgültige Kylie-Minogue-Album zu erschaffen, hochartifiziell und ganz einfach. Die Stücke tragen Titel wie „Loveboat“ oder „Your Disco Needs You“ oder „Bittersweet Goodbye“. Mal ist es Euro-Pop mit Fanfaren oder Stampfhouse-Rhythmus mit Männerchören, mal wird „Under the Influence of Love“ gecovert, mal hört es sich tatsächlich an wie Madonna: Pop, der daherkommt, als hätte es keinen Sündenfall gegeben. TOBIAS RAPP
Kylie Minogue: „Light Years“ (EMI)
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