zuwanderung: Expertenurteil
Konzepte fehlen
Als die CDU auf ihrem kleinen Parteitag am letzten Donnerstag in Berlin über ihre künftige Einwanderungspolitik berät, klammert sie ein zentrales Problem aus: die illegale Zuwanderung. Zu diesem Schluss kommt der Münchner Jesuitenpater Jörg Alt. Ein wenig besser kommt in seiner jüngsten Untersuchung für den Jesuiten-Flüchtlingsdienst die Süssmuth-Kommission der Bundesregierung weg. Doch bescheinigt der Einwanderungsexperte beiden Kommissionen einen weitgehend unprofessionellen Umgang mit dem wenig beachteteten Problemen der illegalen Zuwanderung.
Die Zahl der illegal in Deutschland lebenden Menschen wird auf eine halbe bis eine Million geschätzt. Pater Jörg Alt berät unter anderem die katholischen Bischöfe, die vor zwei Wochen die Bundesregierung aufgefordert hatten, die Situation der „Illegalen“ grundlegend zu verbessern. Auch Menschen ohne Papiere hätten Rechte, hob der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, dabei hervor.
Die CDU unternehme keine Anstrengungen gegen die Rechtlosigkeit der Illegalen, meint Alt. Die Süssmuth-Kommission biete dagegen zwar wenige, aber vernünftige Lösungen für illegal in Deutschland lebende Menschen, die „Anzeichen für ein konstruktives Umdenken“ bedeuteten. So wolle die Regierungskommission den Kindern illegaler Einwanderer den Schulbesuch ermöglichen. Damit setze sie „Maßstäbe“, sagt der Pater, wenngleich sie die prekäre Gesundheitsversorgung und die unsichere Entlohnung in illegalen Arbeitsverhältnissen nicht anspreche.
Weiter schlage die Süssmuth-Kommission vor, das Ausländerrecht zu ändern, damit sich Ärzte, Sozialarbeiter oder Geistliche, die „Illegalen“ helfen, nicht länger strafbar machen. Damit lege sie jedoch zugleich nahe, „dass die Zivilgesellschaft Aufgaben abdecken soll“, für die eigentlich der Staat zuständig sei, kritisiert Pater Alt.
In dieselbe Richtung weist ein Antrag des Evangelischen Arbeitskreises der CDU, der mündlich auf dem kleinen Parteitag eingebracht wird. Unter insgesamt 340 Änderungsanträgen werden ihm jedoch wenig Erfolgschancen eingeräumt.
Wie der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky bemängelt auch Alt, dass die Vorschläge beider Kommissionen die unerlaubte Einwanderung nicht bremsen, weil sie vorwiegend auf Repression setzten. Nach allen Erfahrungen der vergangenen Jahre, so Alt, ließen sich illegale Zuwanderer nicht abschrecken, sondern sie änderten ihre Vorgehensweise. Dabei würden sie in zunehmendem Maß von Schleppern abhängig.
Viel mehr als bisher müsse in Zukunft berücksichtigt werden, unterstreicht Alt, warum Menschen ihre Heimat verließen: Sie brauchten Arbeit, folgten Familienangehörigen oder versuchten, Krieg und Verfolgung zu entkommen. Durch befristete Arbeitsgenehmigungen, schnelle Bearbeitung von Anträgen auf Familiennachzug oder eine intensive Beratung von Asylbewerbern ließe sich Illegalität in Deutschland in vielen Fällen vermeiden.
BETTINA MARKMEYER/EPD
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