zurück in die zukunft:

Automaten versorgen uns heute unkompliziert mit Snacks, Zigaretten oder Kondomen. Wer vor über hundert Jahren ein paar Münzen lockermachte, bekam statt einer Packung Chips eine private Filmvorführung. Um das sogenannte Mutoskop zu bedienen, war allerdings mehr Körpereinsatz gefragt als heute, wo das nächste Video nur eine knappe Daumenbewegung auf dem Handy entfernt ist. Im späten 19. Jahrhundert brauchte es schon mehrere kräftige Drehstöße an einer Kurbel – und dann erblickte man durch ein kleines Guckloch in eine andere Welt.
Entwickelt wurde das Mutoskop von zwei US-Amerikanern, Henry Norton Marvin und Herman Casler. 1894 wurde es patentiert. Mutoskope standen vor allem auf Bahnhöfen, Jahrmärkten und an anderen Orten, wo viele Menschen vorbeikamen. Das Prinzip war so simpel wie genial: Auf einer rotierenden Spindel waren hunderte Einzelbilder befestigt. Beim Drehen der Kurbel klappten diese blitzschnell nacheinander um, so entstand der Eindruck eines flüssigen Bewegungsablaufs. Eine Frau, die sich die Haare kämmt, ein Tänzer in Aktion oder ein frecher Augenaufschlag – das Mutoskop bot kleine Momente voller Leben, ganz ohne Strom, Ton oder Leinwand.
Etwa zur selben Zeit entwickelte Thomas Edison mit seinem Team das Kinetoskop: der erste Filmbetrachter. Anders als das Mutoskop basierte es auf durchlaufenden Filmstreifen aus Zelluloid und wurde bereits elektrisch betrieben. Während das Kinetoskop heute als technischer Vorläufer des Kinos gilt, blieb das Mutoskop der Automat für die kleine Unterhaltung zwischendurch. Wie ein glamouröses Daumenkino! Valérie Braungardt
Zukunftsbilder aus der Vergangenheit und was man aus ihnen lernen kann, erkunden wir hier in jeder Ausgabe.
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