zoologie der sportlerarten: PROF. HIRSCH-WURZ über den Badmintonspieler
Federklumpen mit Herzinfarkt
Eine der archaischsten menschlichen Bewegungsformen neben dem wohl gezielten Faustschlag ins Antlitz des Gegenübers ist das herzhafte Wegtreten eines annähernd runden Gegenstandes, der einem gerade vor die Füße gerollt ist. Danach kommt aber schon gleich das Federballspiel. Jedes Kind beherrscht das eintönige Plopp-Plopp, mit dem ein Gebilde, das man zum Fliegen ungeeigneter kaum hätte konstruieren können, von einer Person zur anderen und zurück befördert wird. Eine Betätigung, die auch der unförmigste und unbeweglichste Strandbesucher ohne weiteres ausüben kann, wobei den wichtigsten Teil der Motorik das Mundwerk darstellt, mit dem darüber gezetert wird, dass der Partner den trägen Federklumpen schon wieder nicht genau auf den Schläger platziert hat, was unerwünschtes und zutiefst widerwärtiges Bücken notwendig macht. Der Rest des Körpers bleibt weitgehend verschont von lästiger Beweglichkeit, lediglich der schlägerbewehrte Arm vollführt in regelmäßigen Abständen eine ruckhafte Geste, die dem Versuch ähnelt, mit einer Bratpfanne eine aufdringliche Fliege in die Schranken zu weisen.
Aus dieser Form der Vortäuschung körperlicher Ertüchtigung eine Sportart zu kreieren, grenzt schon an Frechheit. Welches Volk auf die absurde Idee kam, eine derartige Narretei zu begehen, liegt im Dunkel der Leibesübungsgeschichte, es könnten aber gut die Engländer gewesen sein, die ja auch für allerhand anderen Unsinn verantwortlich zeichnen, als da zum Beispiel wären: Cricket, Whist, Gurkensandwichs und die Labour Party. Zudem verfügen sie über genug Butler, um sich das unwürdige Bücken zu ersparen. Weil die Erschaffer des Homo federfuchsus wohl ahnten, dass eine Sportart, die vorzugsweise von Engländern, Dänen, Indonesiern, Chinesen und Schweden beherrscht wird, in alle Ewigkeit als hochgradig verdächtig gelten würde, gaben sie ihr zur Tarnung wenigstens einen scheinbar unverfänglichen Namen. Aus Federball wurde Badminton, was klingt wie eine notorisch verregnete Grafschaft in Englands Osten, wo sich die Füchse gute Nacht sagen, wenn sie nicht gerade von rot berockten und blutrünstigen Blaublütlern auf Vollblütern durch die Gegend gescheucht werden.
Alles ging gut, solange sich der Homo federfuchsus darauf beschränkte, das fedrige Gebilde in örtlichen Gemeindezentren von Essex, Sussex, Shropshire oder Humberside über das im Übrigen lächerlich niedrig gehängte Netz zu prügeln, bevor er sich im nächsten Pub gemeinschaftlich und zügig einen hinter die Binde goss. Doch irgendwann wurde der müde Spaß plötzlich olympisch, wie jede Schnapsidee von Dressurreiten bis Synchronturmspringen, und schon waren die englisch-skandinavisch-asiatischen Federweltspiele geboren, die alle vier Jahre jede Menge Rätsel aufgeben.
Das geringste Mysterium im Reich des Homo federfuchsus sind noch die Schweden, deren Leistungsvermögen sich ja ähnlich wie bei den Chinesen stets umgekehrt proportional zur Größe des jeweiligen Balls verhält. Mit dem Basketball weitgehend hilflos, im Fußball pure Mitläufer, beim Handball schon ganz gut dabei, im Tennis ziemlich klasse, top aber vor allem im Tischtennis, wo die vom Weltverband verfügte Vergrößerung des Balles logischerweise einen prompten Qualitätsabsturz bewirkte. Der Federball reiht sich hier nahtlos ein.
Was zum Teufel finden jedoch die Indonesier, die sonst überhaupt nichts können, am Badminton? Oder erst die Dänen, Synonym für sportliche Erfolglosigkeit, sieht man mal von ein paar fußballerischen und handballerischen Glücksmomenten, einer Hand voll radelnder Pharmazeuten und den offenen jütländischen Meisterschaften im Krabbenfischen ab. Und wieso können die Engländer immer noch mithalten, obwohl sie doch in allen anderen von ihnen erfundenen Sportarten längst die Obernieten sind?
Leicht zu erklären ist hingegen, wieso der Homo federfuchsus bei Olympischen Spielen stets zu den größten Publikumsattraktionen zählt. Der seltsame Flug des Balls, der zuerst mit Karacho loszischt, als wolle er die ganze Erde umrunden, um dann plötzlich komplett an Fahrt zu verlieren und schlaff herabzufallen wie ein von einem plötzlichen Herzinfarkt ereilter Bussard, lässt im Betrachter die Überzeugung keimen: „Das kann ich auch.“ Jeder Gelegenheitsstrandfederballer ein privater Olympiasieger – das kommt davon, wenn man ein Kinderspiel zum Sport hochstapelt.
Wissenschaftliche Mitarbeit:
MATTI LIESKE
Fotohinweis: Holger Hirsch-Wurz, 67, ist ordentlicher Professor für Humanzoologie am Institut für Bewegungsexzentrik in Göttingen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen