zahl der woche: Milliarden von der Börse für die Forschung
Gen-Goldrausch freut die Professoren
US-Präsident Clinton freute sich auf eine „atemberaubende Explosion von Entdeckungen“, als er vor zwei Wochen vor die Presse trat und sich im Licht der Genforscher sonnte. Früher als erwartet war es dem Geschäftsmann Craig Venter mit seiner Firma Celera Genomics und den über 1.000 Wissenschaftlern aus 50 Ländern mit ihrem staatlich finanzierten Human Genome Project (HGP) gelungen, den Bauplan des Menschen zu entschlüsseln. In der allgemeinen Euphorie träumten Forscher und Banker von gewaltigen Fortschritten in Medizin und Biologie und von Milliardengewinnen.
Doch die wirklichen Gewinner des neuen Gen-Goldrauschs sind erst einmal die Forschungsinstitute: In der Zeitschrift New Scientist schätzt der Forscher Sydney Brenner vom Molecular Sciences Institute in Berkeley, dass die Entschlüsselung des menschlichen Genoms „die Schaffung von mindestens 50.000 Professorenstellen anregen wird“. Jedes einzelne menschliche Gen, von denen es möglicherweise zehntausende bis hunderttausende geben kann, müsse „vierzig Jahre lang erforscht werden“.
Denn die Arbeit für die Forscher hat gerade erst begonnen. Bisher kennen sie nur die Kombination der etwa drei Milliarden Paare aus den Basen Thymin, Adenin, Guanin und Cytosin (T, A, G, C), die die 23 menschlichen Chromosenpaare ausmachen – doch was sie bewirken und wie sie zu lesen sind, wissen die Forscher nicht. Ein Großteil der Erbinformationen sind möglicherweise nichts anderes als wertloser Biomüll. Wenn die menschliche Biologie ein Kinofilm wäre, spottet der New Scientist, sei nun gerade die Liste mit den Namen der Filmstars veröffentlicht – und auch die nur in einer unverständlichen Sprache.
Den Übersetzern und Entschlüsselungskünstlern wird also die Arbeit nicht ausgehen. Ermöglicht wird diese gewaltige Anstrengung erst durch eine riesige Rechnerleistung der Computer in den Biotechlabors. Finanziert werden diese Unternehmen nicht nur von staatlichen Forschungsaufträgen, sondern vor allem von den renditehungrigen Anlegern an den Börsen. In der Hoffnung auf gute Gewinne pumpen sie das Kapital in die kleinen und großen Biotech-Firmen, nachdem die Internet-Werte nicht mehr als so chic gelten wir noch vor wenigen Monaten. Noch im Herbst 1999 war der gesamte Gentech-Sektor an den Börsen etwa fünf Milliarden Dollar wert. Heute beläuft sich der Aktienwert des größten Biotech-Konzerns Amgen auf 68 Milliarden Dollar.
Viel Geld für leistungsstarke Rechner und leistungsbereite Forscher, doch ohne Garantie für ein verwertbares oder erwünschtes Ergebnis. „Eine solch gigantische Investition in die Forschung“, heißt es bereits beim „Internationalen Universitätsverband“ in Paris, „ist in der Geschichte der Wissenschaft eigentlich nur vergleichbar mit dem Manhattan-Projekt“ – der Entwicklung der Atombombe durch die USA im Zweiten Weltkrieg.
BERNHARD PÖTTER
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