zahl der woche: Es gibt tausende eingeforener Embryonen – doch die sind im falschen Stadium
Wenige Embryonen für Stammzellenforschung übrig
Manche Embryonen bleiben nach der künstlichen Befruchtungen übrig. Sie wurden ihren Müttern nicht mehr eingepflanzt, weil die sie nicht mehr wollten oder verunglückt sind. Bundesregierung und Deutsche Forschungsgemeinschaft nennen sie schlicht „überzählig“, die FAZ nennt sie liebevoll „verwaist“. Die Keime müssten eigentlich sterben oder auf immer tiefgekühlt bleiben. Warum sie also nicht der Forschung geben?, fragt nicht nur der Kanzler.
Über ihre genaue Zahl kursieren wilde Gerüchte. Mal ist von 100, mal von 2.000, manchmal von 15.000 bis 30.000 die Rede. Kanzler Schröder zufolge sind es „mehr als 100“. Vielleicht sollte er mal lesen, was seine Regierung auf Anfragen von Parlamentariern antwortet. Da hieß es schon Ende März, dass in acht Bundesländern 60 Embryonen übrig geblieben sind. Bloß 10 davon sind noch eingefroren, der Rest landete im Müll. Inzwischen liegen Daten aus vierzehn Ländern vor: Insgesamt 15 Embryonen sind übrig.
Eigentlich dürften diese 15 gar nicht eingefroren sein, das Gesetz verbietet das. Das Verbot lässt sich allerdings umgehen, wenn man Embryonen im Vorkernstadium einfriert. In diesem Stadium ist der Samenfaden zwar schon eingedrungen in die Eizelle, aber mit ihr noch nicht verschmolzen. Dem Gesetz nach liegt kein menschliches Leben vor.
15.300 dieser Vorkernstadien existieren allein in acht Bundesländern. Die Reproduktionsmediziner frieren die Zellen gerne in diesem Stadium ein, um ihren Patientinnen wiederholte unangenehme Eispenden zu ersparen. Klappt eine Befruchtung nicht, taut man einfach drei weitere Vorkern-Embryonen auf und versucht es erneut. Drei nimmt man, denn auch bei einer natürlichen Befruchtung gehen im Schnitt drei von vier eingenisteten Embryonen wieder ab, oft bevor die Frau eine Schwangerschaft bemerkt.
Für die Forschung darf man Vorkern-Embryonen aber nicht auftauen: Denn dann würde man juristisch Embryonen herstellen, was nur zur Fortpflanzung erlaubt ist. „Überzählig“ sind sie auch nicht, denn im Vorkernstadium ist ein Embryo nach dem Gesetz noch kein menschliches Leben.
Blieben also 15 für die Forschung? Nicht unbedingt: Die Reproduktionsmediziner möchten die nämlich lieber zur Adoption an unfruchtbare Mütter frei geben. Was bislang verboten ist. Diesen Ausweg schlagen die Mediziner nicht ohne Hintergedanken vor: Statt die Embryonen spätestens im Achtzell-Stadium einzupflanzen, wie es das Gesetz vorschreibt, würden sie die Embryonen lieber im Reagenzglas fünf Tage reifen lassen. Dann wären sie weit genug, um unter dem Mikroskop beurteilen zu können, welche sich am besten entwickelt – und am Ende nur die Aussichtsreichsten einpflanzen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit der Schwangerschaft und vermeidet Drillinge. Die Mediziner hätten zufriedenere Kunden. Dummerweise bleiben dabei ein paar Embryonen übrig. Das will wieder der Gesetzgeber nicht. Die Lösung: Genau, die Adoption. MATTHIAS URBACH
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