zahl der woche: Hoch und Tief
Geben Sie dem Wetter einen Namen
Was ist eine gute Geschäftsidee? Ganz einfach. Sie bedient oder weckt möglichst konkurrenzlos Bedürfnisse. In diesem Sinn haben die Meteorologen an der Freien Universität (FU) Berlin eine gute Geschäftsidee gehabt. Ihr Institut vergibt seit 1954 die Namen für Hoch- und Tiefdruckgebiete, die vom Deutschen Wetterdienst und von fast allen privaten Wetterdiensten verwendet werden. Seit vergangener Woche nun sind die Namen käuflich: 299 Euro für die selteneren Hochs, 199 Euro für die häufigeren Tiefs.
Jeder kann zum Beispiel ein drohendes Orkantief nach seinen Wünschen benennen lassen. Anbieten würde sich da die nächstbeste Hassfigur, aber natürlich auch jemand, mit dem sich stürmische Leidenschaften in einem besseren Sinn verbinden.
Die Umtriebigkeit der Wetterforscher ist eine Blüte der Finanznot an deutschen Universitäten. Die FU kürzte den Personaletat Anfang des Jahres derart zusammen, dass Wetterbeobachtungen nur noch am Vormittag möglich gewesen wären. Das hätte in Berlin-Dahlem eine der ältesten deutschen Beobachtungsreihen zerstört, sagt Thomas Dümmel vom Meteorologischen Institut der FU. Seit 1908 wird hier am selben Ort nach festen Standards gemessen. Zur Rettung schoben Studenten zunächst Freiwilligen-Schichten. Dann wollten sich die Wetterforscher mit Spenden über Wasser halten.
Aus der Not wurde schließlich die „Wetterpatenschaft“ geboren. Zur Überraschung der Wetterforscher sicherten sich innerhalb einer Woche 42 Wetterpaten – so die Bezeichnung der Käufer – die Namen für Hoch- und Tiefdruckgebiete. Unter ihnen seien überwiegend Männer, sagt Thomas Dümmel. Die hätten eher einen Hang zu der Geste, Wettergebilde nach ihrer Partnerin zu benennen, oder das Bedürfnis ihren Namen in den Medien zu sehen.
Grundsätzlich werden an Hochs und Tiefs nur Vornamen vergeben. Frauennamen gibt’s in diesem Jahr nur für Tiefdruckgebiete, ab nächstem Jahr nur für Hochdruckgebiete. Bei Männernamen ist es genau umgekehrt. Außerdem muss das Alphabet eingehalten werden. Auf Adelheid kann nicht Gertrud folgen, sondern ein Name mit B, wie Berta. Unter Umständen kann es also eine Weile dauern, bis man mit seinem Wunsch an der Reihe ist.
Auch für den Fall, dass Wettergebilde namenlos bleiben, ist vorgesorgt. Tiefs und Hochs werden dann bei E-Bay versteigert. Wenn das nichts hilft, dann greifen die Meteorologen zum Letzten. Sie vergeben wie bisher die Namen selber.
Eine gute Geschäftsidee zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie schnell Geld abwirft: Das Meteorologische Institut kassierte bereits mehrere tausend Euro ein. Die Beobachtungen aller denkbaren Facetten des Wetters sind vorerst gerettet. „Wir kommen über den Winter“, sagt Thomas Dümmel.
MARIUS ZIPPE
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