wortwechsel: Systemfrage und Chancen auf Beteiligung
Sollen Linke Mitte werden? Die Antworten darauf fallen sehr unterschiedlich aus. Und sollte es ein extra Regelwerk für Frauen-Fußball geben, die Bedingungen angepasst werden?
Verhältnisse in der Demokratie
wochentaz vom 25. 10. bis 31. 10. 25
Die Antwort auf Peter Unfrieds Frage „Können Linke Mitte werden?“ lautet: können schon, aber wollen tun sie es (hoffentlich) nicht. Wer die Systemfrage im Fokus hat, wird sicherlich nicht den Kapitalismus schmücken und aufhübschen wollen, um sich dann in ihm wohlig einzurichten. Natürlich sind Verbesserungen jeglicher Art anzunehmen. Aber jede systemimmanente Reform muss dialektisch auf Systemüberwindung zielen. Das ist zugegeben aktuell und auch aus der Geschichte heraus keine schnell zu lösende und einfache Aufgabe. Aber dadurch wird sie noch lange nicht falsch und unmöglich.
Uwe Fischer, Berlin
Es gibt sie noch, diese Sternstunden, in denen eine ideologische Dickköpfigkeit öffentlich infrage gestellt wird, gerade aus der Ecke, aus der man das zunächst am allerwenigsten erwartet hätte. Peter Unfrieds Frage „Können Linke Mitte werden“ ist so eine. Man reibt sich zunächst verwundert die Augen und erinnert sich dann an die maßgeblichen unmaßgeblichen Kommentare der „Säzzer“ aus den Anfangszeiten der taz. Wenn solch Kommentare wieder – auch – zu einer Selbstverständlichkeit in einer „linken“ Zeitschrift werden, ist mir um die Zukunft der taz und der Linken nicht bange. Weiter so.
Wolf Döhner
Lieber Peter Unfried, doch, eine linke Großkritik an „Wirtschaftssystem“, Nato, EU … kann eine Lösung sein. Basis einer funktionierenden Demokratie sind gleiche Chancen auf Beteiligung. Es ist ein demokratiegefährdender Unterschied, ob meine Mittel dazu reichen, ein Plakat für eine Demo zu malen, eine Ganzseitenanzeige in einem auflagenstarken Medium zu schalten, ein auflagenstarkes Medium oder gar ein ganzes soziales Netzwerk zu kaufen. Anstatt linkes Engagement im Nebensatz abzutun, wäre ein Engagement für eine soziale, egalitäre, friedliche und ökologische Bundesrepublik lösungsorientiert. Dazu müsste gerade auch die Mitte links sein wollen und können.
Hans-Ulrich Werchan, Haale (Saale)
Wirklich inhaltlich wird Unfried in der ersten Hälfte seines Kommentars eigentlich nur in der zentralen Fragestellung: „Wie kommt man von der theoretischen ‚Kritik der Verhältnisse‘ ins produktive Handeln …?“ Im zweiten Teil umschreibt er dann seine schon hinreichend bekannte Antwort: Stärkung der Mitte. Unbemerkt bleibt dabei, dass die Antwort schon unterstellt, dass es unter jenen, die die Mitte ausmachen sollen, eine hinreichende Klarheit darüber gibt, wie die „Verhältnisse“ denn überhaupt sind. Dass Robert Habeck mit seiner mitte-orientierten Politik „gescheitert“ ist, wie auch Unfried feststellen muss, könnte vielleicht daran liegen, dass er die Verhältnisse falsch eingeschätzt hat. Könnte er, abgesehen von taktisch-kommunikativen Fehlern, nicht vor allem daran gescheitert sein, dass die „altlagerübergreifende Mitte“ deswegen nicht zusammengefunden hat, weil sie in grundlegenden Orientierungen der gesellschaftlichen Entwicklung, in der Gestaltung der Wirtschaft wie in der einer gelebten Demokratie ziemlich auseinandergeht? Müsste die Konstitution einer wie auch immer polit-geografisch verorteten gesellschaftlichen Mehrheit nicht auch parallel gehen mit einer offenen Debatte über die gesellschaftliche Wirklichkeit und die sich daraus ergebenden Zielperspektiven? Wer die Kathederfrage stellt, ob die „Linke“ Mitte werden könne, sollte sich deshalb auch fragen, wer eine solche offene Debatte aus welcher Interessenlage heraus weitgehend blockiert und verhindert. Habeck hat sich diese Frage entweder gar nicht gestellt oder sie nur sehr unzureichend beantwortet.
Josef Lenhardt, Braunschweig
Schmerzlich vermisst
„Seitenwende“
Es war wie Ostern und Weihnachten an einem Tag: Nach einer Woche taz am Bildschirm lesen, gab es sie wieder, die gedruckte wochentaz. Als ich sie wie gewohnt lesen konnte, wurde mir erst wirklich klar, wie sehr ich die gedruckte Version von Montag bis Freitag vermisst, ach was, wie sehr ich sie schmerzlich vermisst habe.
Reinhold Kern, Mörfelden
Kulturhauptstadt Chemnitz
„Wenn es drei Anläufe zur Ausstellung braucht“,
wochentaz vom 25. 10. bis 31. 10. 25
Lieber Andreas Hergeth, das kann man so nicht stehen lassen. Da ist er wieder: der hektische und ungeduldige Berliner. Ich weiß, wovon ich spreche, da ich seit 1975 in dieser Stadt lebe. Zu empfehlen ist grundsätzlich, sich mindestens 2 Tage Zeit zu nehmen und sich darauf einzulassen, was Chemnitz hier versucht hat. Man kann auch sehr angenehm außerhalb übernachten und mit der City-Bahn, unter anderem von Mittweida über Chemnitz bis Aue, halbstündlich für wenig Geld unterwegs sein. Edward Munch hatte zu Chemnitz eine ganz eigene Beziehung und die Ausstellung ist hervorragend mit Werken, die in Chemnitz zu Hause sind, kuratiert. Es gibt auch wunderbare Bilder der Brücke-Künstler. Also flink nochmal hinfahren. Bei der Gelegenheit unbedingt die Villa Esche und das Schmitt-Rottluff-Haus mit ins Besichtigungsprogramm aufnehmen.
Siegfried Petzka, Berlin
Frauenfußball
„Männer sind noch viel zu oft die Norm“,
wochentaz vom 25. 10. bis 31. 10. 25
Für mich steht der Fußball mit Frauen auf den Fußballfeldern mit Männerregelwerk generell zur Diskussion. Ich hätte mir eine soziologische Forschung gewünscht, die die sporttreibende Frau und die Rahmenbedingungen im Fußball stärker hinterfragt. Vielleicht wäre es zum Infragestellen der Torgröße, der Größe der Fußballfelder, des Regelwerkes des Männerfußballs bezüglich Spieldauer, Körperkontakte gekommen.
Jörg Pöse
Die Kinderfrage
„Sind die Träume schon fertig, wenn man einschläft?“,
wochentaz vom 18. 10. bis 24. 10. 25
Ist schon eine Rarität, Kinder am Zeit- und Zeitungsgeschehen zu beteiligen, auch wenn die taz es nur einmal pro Woche und in einer Spalte ermöglicht. Mit Unbefangenheit und in Gedankenfreiheit lassen die Kinder ihrer Neugier freien Lauf. Die Frage vom 18. Oktober könnte man weiterspinnen und fragen, wie Blinde träumen. Es bleibt mir etwas mysteriös, wie sich eine solche Kommunikation aufbaut. Jedenfalls beeindruckt es mich, wie man sich hier unterhält, wie unter Gleichgestellten und Gleichgesinnten.
Gert Gropp
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