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wortwechselWas verlieren wir, wenn die Kirchen aussterben?

In Deutschland sind inzwischen weniger als die Hälfte der Bürger Kirchenmitglieder. Die Schafe laufen weg, gut so? Oder wird die Pflege humanistischer Werte damit schwieriger?

Pfarrkirche Sankt Bartholomäus in Bayern. Wird auch diese Kirche bald neue Besucher haben – ohne Gebetsbuch, aber mit neuen Gemeinschaftsideen?   Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Die These: Auch säkulare Gesellschaften brauchen Kirchen. Den Kirchen laufen die Mitglieder davon – und das geschieht ihnen recht. Die Gesellschaft verliert damit aber wichtige Diskursräume“,

taz vom 21./22. 5. 22

Kernthemen der Kirche

Wie recht Moritz Findeisen hat, den Kirchen – trotz ihrer unsäglichen Schuld so vielen Menschen gegenüber – Relevanz in säkularen Gesellschaften zuzuschreiben. Das institutionelle Versagen der katholischen Kirche ist umso dramatischer, als ihre Kernthemen und die Antworten darauf der Gesellschaft schmerzlich fehlen. Barmherzigkeit, der Umgang mit Schuld, die Frage nach dem Sinn von Leid, die Angst vor dem Tod, ein ehrliches Menschenbild, das das Destruktive im Menschen nicht negiert, die Kraft des Glaubens entgegen aller vermeintlichen Vernunft – das sind nur wenige Beispiele aus dem großen Schatz der Bibel und des Christentums. Welch ein Verlust, wenn all dies in Vergessenheit geriete. Und trotz aller Banalisierung möchte ich mir den Jahresverlauf nicht ohne die christlichen Feste und Rituale vorstellen, inklusive der wichtigen Wertschätzung des Sonntags. All das braucht einen institutionellen Rahmen. Ob die Kirchen einen guten Weg finden, hängt neben dem Umgang mit den Opfern sexueller Gewalt auch vom Durchhaltevermögen der Gläubigen ab, denen sehr viel zugemutet wird. Vermutlich brauchen wir Chris­t*in­nen noch einen sehr langen Atem.

Vinzenz Mersmann, Havixbeck

Kritik an Verdinglichung

Kirche sollte vor allem nicht die moralingeschwängerte Variante der Politik sein, sondern den Menschen Anregungen geben, sich mit den Höhen und Tiefen des Lebens auseinanderzusetzen und Lösungen zu finden. Emsch auf taz.de

Nachdem der Humanismus sich von den reflektierten Homo-Faber- und Brave-New-World-Thesen verabschiedet und zum platten hurra-szientistischen Humanismus darwinscher Prägung gewandelt hat, begrüße ich nachgerade die Kirchen als gesellschaftliche Institutionen, wo es noch Kritik an Verdinglichung und Neo-Positivismus gibt. Oliver Tiegel auf taz.de

Der katholische Topf

Toll, die taz kann auch ausgewogen-kritisch das Thema „Kirche“ behandeln! Aber was bringt einen katholischen Theologen dazu, die evangelische Kirche in denselben, nämlich seinen Topf zu werfen? Ich protestiere! Einen demokratischen Aufbau und Gleichberechtigung, das wird es katholisch nicht geben! Gott sei Dank gab es die Reformation – und keine „Reform der katholischen Kirche“. Für mich als Pfarrerssohn ist das eine Existenzfrage.

Hans Ewald Bickelmann-Frey, Neuhofen

taz wird „kleritaz“?

Im Jahr 2022 fällt in Deutschland die Quote der Kirchenmitglieder unter 50 Prozent. Wie wird in der taz auf diesen ungehörigen Abfall vom vorgegebenen rechten Glauben reagiert? Mit dem mahnenden Hinweis „auch säkulare Gesellschaften brauchen Kirchen“. Ein Text, der eine ganze Seite einnimmt – das ist eine prokirchliche Breitseite, die sich gewaschen hat. Wie ist es möglich, dass eine Zeitung, die sich selbst als links, als autoritätskritisch, als aufklärerisch definiert, engsten Schulterschluss mit den wohl reaktionärsten, geschichtsvergessensten, wissenschaftsfeindlichsten Institutionen dieses Landes übt, die zudem eine nicht zu übersehende Blutspur durch die Jahrhunderte ziehen?

Wie ist es möglich, dass Beilagen zu Kirchentagen erstellt werden, aber der Zentralrat der Konfessionsfreien, der sich am 19. Mai im Haus der Bundespressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt hat, mit keinem Wort Erwähnung findet? Als aufgeklärter, humanistischer taz-Genosse verliere ich langsam den Glauben – an eine linke, der Aufklärung verpflichtete taz und an euch, die ihr aus der stolzen, linken taz eine peinliche, reaktionäre „kleritaz“ macht. Ingo Heise, Bad Soden

Glaube kann cool sein

Mehr oder weniger per Zufall bin ich in eine Gruppe von jungen Leuten geraten, die in unserer Gemeinde (im Rahmen der Kirche) bezahlbare Sommerferien am Meer für Kinder organisieren. Da hab ich gelernt: An der Basis dieser verknöcherten Institution der römisch-katholischen Kirche springen gar nicht mal so wenige Leute rum, die gute Dinge tun, und die beziehen den Antrieb dazu aus dem, was sie ihren Glauben nennen. Ist das jetzt weniger cool als irgend ein links-autonomes Projekt, das Vergleichbares macht? Wir hatten ein gemeinsames Anliegen und wirklich gut ist, dass an der Basis der Organisation Leute organisch in Zusammenhänge hineinwachsen können, in denen sie Verantwortung für ihre unmittelbare Umgebung übernehmen. Eine Menge Leute tut einfach ganz praktisch Gutes. Glaube kann auch eine ganz coole Haltung sein. Olaf Mertens auf taz

Räume für Gemeinschaft

Es wäre die Aufgabe der Kommunen, solche Räume für Gemeinschaft und Kommunikation, Fragen und das Hinterfragen, nicht nur zu schaffen, sondern auch zu moderieren. Unabhängig von Glaubensströmungen und Kirchen.

Arne Babenhauserheide auf taz.de

@Arne Babenhauserheide Versuchen Sie das doch mal! Suchen Sie sich eine Truppe zusammen, stürmen Sie das Gemeindehaus und werfen Sie den gerade anwesenden Seniorentreff hinaus …

Rudolf Fissner auf taz.de

„Die Seele wird gesund“

Als Kind habe ich den Ritus gehasst, jetzt krieg ich Ausschlag, wenn am Ablauf und dem „wording“ herummodernisiert wird. Meinetwegen sehr gerne LGBTQ Priester*innen, aber lasst die Finger vom „gebenedeit“. Crsvslowa Fanboiii auf taz.de

@Fanboiii „Sprich nur ein Wort und meine Seele wird gesund.“ Das ist eine magische Verheißung – die auch aus einem Roman von Márquez oder von Murakami sein könnte. Jim Hawkins auf taz.de

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