wortwechsel: Ach, so wohlerzogen – unsere neuen Rassisten!
„Rassismus wird salonfähig“, schrieb Bettina Gaus in der taz. „Brandstiftung durch Sprache“ – wo beginnt sie? Lindner, Dobrindt, Palmer – legen sie Lunten? Alles nicht so gemeint?
„Immer noch ein Stückchen mehr“, taz vom 19./20./21. 5.18
Soziale Spaltung
Notwendige klare Worte von Bettina Gaus. Aber es ist noch viel dramatischer: Dieselben PolitikerInnen verschärfen mit der gleichen lapidaren, harmlosen Haltung die ökonomische und soziale gesellschaftliche Spaltung: Sie sind verantwortlich für die Wohnungsnot, die immer mehr Menschen in Armut, Verzweiflung treibt; sie machen durch ihre konzernhörige Umweltpolitik immer mehr Menschen todkrank; sie betreiben eine Gesundheitspolitik, die als verstecke Euthanasie arme, sozial schwache Menschen von vielen Facetten verfügbarer medizinischer und psychotherapeutischer Interventionen ausschließt, sie chronisch krank werden und vergleichsweise früh sterben lässt.
Last but not least die sogenannte Flüchtlings- und Asylpolitik: Der so unsägliche wie viel gelobte Satz von Frau Merkel, „wir schaffen das“, hat den Zynismus herrschender Politik vollends entschleiert. Diese scheinbar großzügige und humane Geste hat sich schon in dem Moment, in dem sie ausgesprochen wurde, in ihr Gegenteil verkehrt, weil ihr nicht die eigentlich zwangsläufigen Worte folgten: „Und nun erhöhen wir für die Wohlhabenden in diesem Land Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftssteuer, damit wir die finanzielle Basis haben, um allen Menschen, den einheimischen wie den zugewanderten, ein Leben in Würde und ohne Angst zu ermöglichen.“
Günter Rexilius, Mönchengladbach
Die richtigen Worte
Demokratisch gewählte Politiker als „Brandstifter“ zu bezeichnen, wenn sie versuchen, vorhandene Irritationen in der Bevölkerung zu thematisieren, scheint mir zu kurz gesprungen. Wenn sich Bürger unwohl fühlen oder Angst empfinden, ist das eben nicht nur ein Zeichen einer psychischen Auffälligkeit bei ihnen selbst, sondern durchaus eine normale Reaktion auf das Verhalten einiger reichlich unverschämter Zeitgenossen, die sich so benehmen, als wären sie alleine auf der Welt. Kritik an rücksichtslosem Verhalten muss erlaubt sein, auch wenn dieses von Menschen mit Migrationshintergrund gezeigt wird. Das Wort „Anti-Abschiebe-Industrie“ halte ich für Wahlkampfgetöse der CSU im Vorfeld der Landtagswahl in Bayern. Gleichwohl ist es aber nicht falsch festzustellen, dass sich bei einer Zahl von circa 1,2 Millionen Asylanträgen allein in den Jahren 2015 und 2016 eine Art „Beschäftigungsprogramm“ mit vielen Profiteuren entwickelt hat, die nicht nur das Wohl der Asylsuchenden, sondern auch ihre eigene Brieftasche im Auge haben. Augenmaß von allen Seiten kann helfen; und dazu gehört vor allem, und da stimme ich Frau Gaus zu, die richtige Wahl der Worte. Wilfried Bruns, Mülheim
Lest Victor Klemperer
Bettina Gaus beschreibt die so subtil daherkommende „Brandstiftung durch Sprache“. Wie recht sie hat! Das vielleicht dunkelste Kapitel unserer Geschichte kam so daher. Jedem, der die Wirkungsmacht der Sprache kennenlernen möchte, empfehle ich dringend das Buch „LTI“ (Lingua Tertii Imperii) von Victor Klemperer zu lesen. Vor knapp 85 Jahren zusammengestellt, 1947 erstmals veröffentlicht, ist es (leider) wieder hochaktuell.
Michael Wiemann, Lübeck
Freundlich faschistisch?
Bettina Gaus hat – wieder einmal – einen wichtigen politischen Kommentar verfasst. Ich würde allerdings bei den Herren Lindner, Dobrindt und Palmer noch etwas schärfer werden: Die FDP war nur für eine sehr kurze Zeit in der BRD eine „respektable Partei“; die FDP war lange Zeit ein Sammelbecken vor allem alter Nazis und ihrer Rackets. Dobrindt wiederum verlängert, was sein Parteichef schon länger treibt und mit seinem Lob auf Orbán, eine faschistoide Charaktermaske, nur für sich selbst und die Unchristliche Asoziale Union verkörpert.
Palmer beweist wieder einmal, dass die Grünen auf dem besten Wege sind, so schlimm wie die FDP zu werden. Antirassisten sollten in der Tat mehr in die öffentliche Auseinandersetzung gehen, denn der „Faschismus mit freundlichem Gesicht“ (so Reinhard Lettau schon vor Jahrzehnten) ist noch bedrohlicher, da stimme ich mit Bettina Gaus völlig überein, als die Neonazis in der AfD.
Heinz Sünker, Wuppertal
Abschiebungsgewinn
Wer Organisationen und Einzelpersonen, die sich für das Bleiberecht von Flüchtlingen einsetzen, als aggressive Gegner der unter anderem von Herrn Dobrindt betriebenen Abschiebeindustrie bezeichnet, entlarvt sich selbst, weil das Vokabular deutlich macht, was Dobrindt wohl will: Industriell organisierte und somit gewinnorientierte Abschiebung von Menschen zurück in Kriegsgebiete, in Perspektivlosigkeit und Not. Und das in Deutschland!
Hier, wo schon einmal andere „Probleme“ industriell und gewinnorientiert „gelöst“ wurden: der millionenfache Mord an Juden, an Sinti und Roma, Homosexuellen und anderen als „lebensunwert“ erachteten Menschen wäre ohne die allein an ihren Gewinnen orientierte Industrie nicht möglich gewesen. Auch damals gab es Menschen, die den Verfolgten halfen – leider, wie heute, viel zu wenige und fast vergessen. Als Fluchthelfer Menschen illegal halfen, die DDR zu verlassen, galten sie hier in Westdeutschland als Helden – unabhängig davon, ob ihre Hilfe ohne jeden Eigennutz war oder ob sie sich dafür bezahlen ließen, und auch unabhängig davon, ob diejenigen, die mithilfe der Fluchthelfer nach Westdeutschland gelangten, tatsächlich politisch verfolgt wurden, ob sie astreine Demokraten waren, ob sie als Arbeitskräfte benötigt wurden oder nicht. Die Fluchthelfer damals sind ein hohes Risiko eingegangen, nicht wenige mussten diese Hilfe in der DDR mit Haftstrafen bezahlen. Diejenigen, die heute den Rechtsstaat sabotieren, sind Herr Dobrindt und alle, die mit immer weiteren Zerrbildern und übleren Forderungen gegen Flüchtlinge hetzen. Und es sind diejenigen, die dieses Reden goutieren, die schweigen, die wegsehen, die beschwichtigen.
Gisela-Ingrid Weissinger, Johannes Weissinger, Dortmund
Denkverlust
Mir erscheint bei der Betrachtung, welche Äußerungen besonders gefährlich sind, die von Lindner und besonders die von Palmer, einen unbewussten Halblinksmitteliberalrassismus zu befördern. Man kann sich dazu entscheiden, eben die Interessen von Menschen, die zufällig gerade an einem Gebiet leben, so zu verteidigen, dass man den Zuzug in dieses Gebiet reglementiert. Das ist nix Rassistisches, sondern eher etwas Elitäres, Ausgrenzendes, über dessen Sinn man reden muss. Aber Ängste öffentlich zu machen, die unser Kleinhirn ausstößt, wenn es mit etwas Fremdem oder vielmehr einem/r Fremden konfrontiert wird, ist geradezu eine Aufforderung, das Großhirn nicht zu benutzen.
Age Krüger auf taz.de
Es ist nicht zu fassen
Ein fettes Lob und einen großen Dank an Bettina Gaus. Ihre Beiträge sind immer glänzend geschrieben und treffen den Nagel auf den Kopf. Ich denke immer: Gut, dass das endlich mal jemand so sagt beziehungsweise schreibt. Es ist echt nicht zu fassen, was alles salonfähig wird, was Leute wie Lindner, Dobrindt und Palmer so von sich geben. Da müssen wir gegenhalten und die Demokratie beziehungsweise unsere Verfassung verteidigen. Gabriele Kentrup, Frankfurt am Main
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