wohnungsprobleme: Wutbürgers Freude
Im Zweifel für den Abgeordneten: Amtsgericht spricht Jan Timke vom Vorwurf des Wahlbetrugs frei - weil es denkbar scheint, dass der Berliner Bundespolizist an Krankheitstagen in Bremerhaven campiert hat VON BENNO SCHIRRMEISTER
Jan Timke ist wohl doch kein Wahlbetrüger. Jedenfalls hat das Amtsgericht Bremerhaven den Chef der rechtspopulistischen Formation "Bürger in Wut" am Dienstag vom Vorwurf der Wahlfälschung freigesprochen. So hatten es Staatsanwaltschaft und Verteidigung übereinstimmend beantragt.
Zuvor war es der Anklage in vier Verhandlungstagen und trotz aufwändigem Zeugen-Defilee nicht geglückt, zweifelsfrei nachzuweisen, dass der Bundespolizist seinen Lebensmittelpunkt im Bürgerschafts-Wahljahr 2007 in Berlin hatte. Am dortigen Ostbahnhof arbeitete er zwar damals im Schichtdienst. Aber er hatte auch einige Urlaubstage - und war zudem des Öfteren krankgemeldet. Dass er sich an den entsprechenden Tagen nicht in seinem möblierten Zimmerchen in Bremerhaven aufgehalten hat, war laut Gericht nicht zu beweisen. Angemietet hatte er es Anfang des Wahljahres. Und er hatte sich auch dort angemeldet. Um als Spitzenkandidat antreten zu können.
Und zwar - nun ja doch - erfolgreich. Nach einigem Hin und Her, einem Staatsgerichtshofs-Urteil und einer Wiederholungswahl in einem Bremerhavener Stadtteil-Teilstück waren aus 4,998 im Sommer 2008 doch noch fünf und ein paar zerquetschte Prozent geworden. Seither sitzt Timke als Einzelabgeordneter in der Bürgerschaft - so wie der Ex-DVU-Mann Siegfried Tittmann. Und direkt neben ihm.
Allerdings verfügt der Wutbürger mittlerweile über ein separates Tischchen: Auch dieses Recht hat sich Timke erstreiten müssen. Von November an nahm er aus Protest an den Plenarsitzungen nur noch stehend teil, das heißt: Teilweise auch im Auf- und Abgehen. Und nicht zuletzt, weil sich dadurch andere Abgeordnete gestört fühlten, hat ihm das Parlamentspräsidium Anfang Januar den Ausstattungswunsch erfüllt.
Der Wutbürger hat also allen Grund zur Freude dieser Tage. Trotzdem wurde sein Verteidiger nicht müde, das Strafverfahren zu kritisieren. Es sei "skurril", behauptete er gestern zum wiederholten Male, und habe Timkes politische Arbeit erschwert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!