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wissenschaftsfeuilletons, formwille etc.„SZ“ und „FAZ“ streiten um Heisenberg und Bohr

Die Debatte als Kunstwerk

Der Schriftsteller und Essayist Stephan Wackwitz äußerte neulich im Internetforum Perlentaucher.de die Idee, das Feuilleton zur eigenständigen Kunstgattung zu erklären, irgendwo zwischen Universalpoesie, Konzeptkunst und konkreter Poesie. Es ist wohl endgültig an der Zeit, diesen Ansatz einmal ernst zu nehmen, auch wenn, wie Wackwitz schreibt, immer noch unklar ist, „wie aus den einzelnen kleinen Stücken des Feuilletonisten so etwas wie ein handhabbares, verkäufliches, rezensierbares, kritisierbares ,Werk‘ entstehen könnte“. Ohne beim Feuilleton einen Werk- und Formwillen anzusetzen, der sich von seinem Gegenstand emanzipiert, kommt man jedenfalls offenbar nicht mehr aus.

Geradezu schlagend deutlich wird dies, zieht man die jüngste Debatte heran, die zuletzt rund um Werner Heisenbergs legendären Besuch bei Niels Bohr 1941 in Kopenhagen zwischen unseren beiden Leitfeuilletons der SZ und FAZ tobte. Sie ist so voller Obertöne und konzeptionellem Mehrwert, dass sie über ihren eigentlichen Gegenstand – das Atomforschungsprogramm in der Nazizeit – geradezu hinausschießt. Wer nicht gleich kopfschüttelnd abwinkt, kann die Debatte in ästhetischer Hinsicht zunächst durchaus genießen. Wie großartig schurkig etwa, dass die SZ das, was bislang eher zur Randnote getaugt hätte (neue Dokumente rund um den Besuch waren herausgekommen), bis auf die erste Seite der Zeitung hievte, weil sie dachte, es dem Wissenschaftsfeuilleton der FAZ einmal zeigen zu können. Und wie herrlich unsouverän im Gegenzug, dass die FAZ in der Erwiderung die Münchner Konkurrentin nicht mit Namen, sondern nur „eine süddeutsche Zeitung“ nannte. Auf so etwas muss man erst mal kommen! Wunderschön auch, wie Verweise auf frühere Ausgaben zu Waffen wurden; man wollte halt unbedingt auch schon mal etwas über Heisenberg und Bohr geschrieben haben (siehe übrigens taz vom 4. 12. 2001 und 18. 4. 2001).

Hier gingen zwei Kombattanten in etwa der Grazie eines Kung-Fu-Films aufeinander los. Wer je einen Film dieses Genres gesehen hat, weiß, dass es dabei nicht allein darauf ankommt, den Gegener zu besiegen. Sondern darüber hinaus auch noch darauf, möglichst hysterisch die Fesseln vernünftiger Zweck-Mittel-Relationen abzustreifen.

Wer hier wem was auswischen wollte und was das damit zu tun hat, dass in der SZ ehemalige FAZler, in der FAZ aber Feuilletonisten sitzen, die vor allem ihre Wissenschaftskompetenz verteidigen müssen, das detailliert zu analysieren kann man getrost zukünftigen Feuilletonhistorikern überlassen. Rein als Kunstwerk betrachtet, ist dieser Debatte – bei aller Liebe zum konkreten Wissen der dritten Kultur – allerdings eine gewisse Grobschlächtigkeit nicht abzusprechen. Vor allem hat es einmal Zeiten gegeben, in denen auch Ironie und Eleganz als nicht ganz unwichtige Elemente des Gesamtkunstwerks Feuilletons betrachtet wurden. Das hätte man bei der aktuellen Auseinandersetzung möglicherweise etwas mehr berücksichtigen können – die Debatte war Hulk Hogan, nicht Muhammed Ali.

Wie es aussieht, stehen uns – bei wechselnden Anlässen – sicherlich weitere als Debatten getarnte Dominanzkampfkunstwerke ins Haus. Vielleicht nicht dumm, demnächst im Feuilleton eine neue Kunstsparte einzuführen. Debattenkritiker dringend gesucht.

DIRK KNIPPHALS

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